Dienstag, 18. Juli 2023

Agent Super-Falk in geheimer Mission

Nach dem Erfolg seines Debüts "Inside FC Bayern" (siehe Besprechung hier) hat Sport-Bild-Reporter Christian Falk relativ schnell eine Fortsetzung nachgeschoben. In seinem zweiten Buch beleuchtet er die Jahre des FC Bayern unter den Trainern Guardiola, Ancelotti, Kovač und Flick. Und wie schon bei seinem ersten Werk gilt: Wenn man es schafft, über die ermüdende Selbstgefälligkeit des selbsternannten Insiders hinwegzusehen (dazu sogleich), ist das Buch überaus interessant - weil es tatsächlich einen hochspannenden Einblick in seine Arbeitsweise, aber auch jene der Protagonisten des FC Bayern vermittelt: Wie, wo und unter welchen Umständen kommt es zu Begegnungen des Journalisten mit seinen Gesprächspartnern, wo und weshalb entstehen Konflikte, wie werden diese ausgetragen, wie laufen Hintergrundgespräche und Vor-Ort-Besuche bei Uli Hoeneß ab usw.
 
Nachdem Falk im ersten Buch seine (weitgehend erfundene bzw. arg hochgejazzte) persönliche Fehde mit Bastian Schweinsteiger ausgiebigst gemolken hat, nutzt er diesmal die Popularität von Thomas Müller und in späteren Passagen von Oliver Kahn, um sich selbst ins rechte Licht zu rücken. Immer wieder wird betont oder durch vermeintliche Nähe und Vertrautheit (diverse angeblich ihm verliehene Spitznamen wie "Falki" und "Falcao", Sätze wie "Du warst ja dabei!") suggeriert, wie gut der Sport-Bild-Reporter die beiden und andere Bayern-München-Vertreter kennt und wie sehr er "Bayern-Insider" ist. Jedes Zwinker-Smiley, das Falk auf seine übergriffigen WhatsApp-Nachrichten von den Spielern (oder ihren Ehefrauen) gesandt bekommt, feiert er wie einen Champions-League-Sieg. Ins Auge fällt auch, wie ungeheuer wohlwollend Falk (wie schon in Buch Nummer eins) über Philipp Lahm schreibt, wie er Lahms Gedankengänge und Überlegungen darstellt (die er nur von diesem kennen kann, ohne dies aber deutlich zu machen), wie er ihn im Streit mit Uli Hoeneß als "gewieften Taktiker" darstellt und wie er - obwohl er doch der allwissende Insider sein will - komplett die Rolle von Lahm-Berater Roman Grill unterschlägt, der bekanntlich ein maßgeblicher Grund für Hoeneß war, Lahm als Sportvorstand zu verhindern (selbstredend hat in Falks Version Lahm stets das Heft des Handelns in der Hand und entscheidet selbst, nicht in Bayerns Chefetage aufrücken zu wollen). Man darf gern spekulieren, wieso Lahm stets ein Günstling der Springer-Presse war und worin seine Gegenleistung für die jahrelange überpositive Berichterstattung bestand. Übrigens: Gemessen daran, wie oft Falk die strikte Vertraulichkeit von Hintergrundgesprächen und den Quellenschutz betont, zitiert er in seinem Buch erstaunlich freizügig aus derartigen Gesprächen, etwa mit Kovač zu Fehlleistungen einzelner Bayern-Spieler.

Was das Buch - fast noch mehr noch als Falks Debüt - nur sehr schwer erträglich macht, ist die gigantische, allgegenwärtige Selbstgefälligkeit des Autors. Er präsentiert sich als Super-Falk, den unübertroffenen Star und Helden des Sport-Journalismus: Andere, minderbemittelte Kollegen mögen im Interview mit Serge Gnabry schon einmal "den Faden verlieren", angesichts strenger Blicke der Bayern-Führung eingeschüchert den Schwanz einziehen, bei Statements von Uli Hoeneß nur ehrfürchtig und mit offenem Mund mitstenografieren oder auf plumpe Enten hereinfallen. Super-Falk passiert so etwas nicht. Er liegt stets richtig (vor allem in der Rückschau), kann die falschen Klassiker-Zitate der Bayern-Bosse aus dem Stehgreif korrigieren und hat immer das letzte Wort. Bei allem, was er tut, bleibt er cool bis ins Mark: Gelassen schlürft er einen Espresso, während Uli Hoeneß am anderen Ende der Telefonleitung tobt und zetert, und legt sich schon einmal in Ruhe die Fragen zurecht, mit denen er den Bayern-Patron nach dem Ende der Schimpf-Kanonade gleich aus dem Konzept bringen wird. Auch bei der berüchtigten "Grundgesetz-Pressekonferenz" der Bayern-Bosse spielte Super-Falk diese geschickt aus, indem er erst gegenüber Rummenigge ein spitzes Statement abgab und dann blitzschnell eine Frage an Hasan Salihamidžić richtete, was Rummenigge natürlich völlig verdattert zurückließ. In wahre Hochform gerät Super-Falk allerdings, wenn es gilt, aus Hoeneß telefonisch eine Info herauszuholen, die dieser partout nicht heraugeben will. Kühn bleibt er in der Leitung und hört genüßlich zu, wie Hoeneß - der rein zufällig den Hörer nicht richtig aufgelegt hat - gegenüber einem stummen Zuhörer in seinem Büro alle Missetaten einräumt. Aber Super-Falk ist nicht etwa nur der Chronist des Handelns anderer, von wegen "Erzählen, was ist" oder so. Nein, nein, er wird selbst aktiv. So war er der Meinung, dass die Bayern Leroy Sané verpflichten müssten - dummerweise sahen die das etwas anders. Also nervte Falk die Bosse in unzähligen Interviews so lange mit seinem Vorschlag, bis diese genervt aufgaben und Sané verpflichteten. Und als er der Meinung war, dass Müller und Coutinho sehr wohl nebeneinander spielen könnten, rieb er das den ahnungslosen Bayern-Verantwortlichen so deutlich aufs Brot, bis die es endlich probierten. Ich frage mich, ob Super-Falk heute, da Sané längst als Fast-Fehleinkauf und Verkaufskandidat gilt, immer noch so sehr damit prahlen würde, dass die Verpflichtung eigentlich auf seine Initiative zurückgeht.
 
Teilweise erzählt Falk übrigens auch im zweiten Buch reines Jägerlatein. So ist zwar bekannt, dass Uli Hoeneß mit unterdrückter Nummer anruft. Es gibt allerdings keinerlei Grund, weshalb seine Sekretärin von ihrem offiziellen Bayern-Arbeitsplatz und aus dem Bayern-Telefonnetzwerk heraus dies tun sollte oder könnte. 
 
Auch ein Superheld kann natürlich nicht immer gewinnen. Recht entlarvend sind die Passagen, in denen bei Falk reiner Ärger durchschimmert. So wagte es etwa Sven Ulreich, eine Vertragsverlängerung nicht exklusiv an Falk zu vermelden - und muss sich prompt als "dreisten Lügner" beschimpfen lassen. Und als Mats Hummels seinen Ärger über eine allzu reißerische Sport-Bild-Schlagzeile via Facebook und damit gegenüber einem Millionen-Publikum öffentlich machte, merkt Falk sauertöpfisch an, in der Vergangenheit seien derartige Konflikte "mit offenem Visier" unter vier Augen ausgetragen worden. Übersetzung: Wir können mit unseren Artikel ruhig eine breite Öffentlichkeit erreichen - beschweren sollen sich die Opfer aber bitte nur im stillen Kämmerlein.

Fazit: Das Buch lohnt den Kauf, es vermittelt spannende Einblicke, aber man braucht ob der Selbstgefälligkeit des Autors schon ein dickes Fell.

Christian Falk: "Bayern-Insider", riva Verlag