Freitag, 28. Februar 2025

Unterhaltsame Rückschau auf 50 Jahre Fußball-Bücher

Es ist einigermaßen peinlich für ein Fußballbücher-Magazin, aber ich kannte Ben Redelings Werk "Der Ball ist eine Kugel. Das große Buch der Fußballbücher" bislang tatsächlich nicht. Dabei ist es schon fast zwanzig Jahre alt. Ein Leser hat mich - nochmals ganz herzlichen Dank an dieser Stelle! - darauf aufmerksam gemacht. Von Redelings selbst hatte ich zuvor schon einiges gelesen, etwa "Fußball ist nicht das Wichtigste im Leben – es ist das Einzige" oder "Bundesliga-Album: Unvergessliche Sprüche, Fotos & Anekdoten", wobei allerdings gerade letzteres sehr an eine riesige Tüte Popcorn erinnert. Man fängt damit an, kann dann nicht mehr aufhören und hinterher ärgert man sich. Letztlich gilt für Redelings wohl Ähnliches wie für den hier zuletzt besprochenen Andreas Thome, wenn auch auf andere Art und Weise und auf deutlich höherem Niveau. Er ist ein Chronist dessen, was bekannt ist, ein Outsider, kein Insider. Aber für eine Betrachtung des Fußballbücher-Marktes ist das kein Nachteil, jedenfalls kein wesentlicher.

Der Autor beginnt im Jahr 1942 und stellt bis 2006 pro Jahr im Regelfall ein Buch vor, manchmal mehrere, mitunter werden auch einige Jahre übersprungen. Alles in allem kommt Redelings so auf 150 Werke. Zur Auflockerung zwischendurch hat er zudem einige Promis versammelt - von Manuel Andrack bis And Zeigler -, die jeweils ihre fünf Lieblingsfußballbücher auflisten. Dass Redelings Auswahl höchst subjektiv ausfallen würde, war klar - andererseits durfte man bei 150 Büchern schon auf ein vertieftes und belastbares Bild des Fußballbüchermarktes und seiner Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten hoffen, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass der Autor auf Jahr-, WM- und EM-Bücher sowie auf Vereinschroniken von vornherein verzichtet hat und das Angebot an Fußballbüchern vor 1990 deutlich überschaubarer war. Und tatsächlich wurde die Lektüre des Buches zu einem höchst unterhaltsamen Mix aus "Sieh mal an, das kennt der Redelings auch!" und "Wo ist eigentlich...?" und gleichzeitig einer hochinformativen Reise durch 50 Jahre Fußballbuchveröffentlichungen.

Es konnte kaum überraschen, dass sich Redelings etlichen Meilensteinen - Meilensteinen im Guten wie im Schlechten - der Fußballbuch-Geschichte widmet. Von Toni Schumachers "Anpfiff" über Lothar Matthäus´ "Mein Tagebuch" bis hin zu Stefan Effenbergs "Ich habe es allen gezeigt" ist nahezu alles dabei. Angenehm überrascht war ich über etliche Vorstellungen, die eher in die Kategorie "Geheimtipp" fallen, etwa Dieter Adlers WM-1982-Tagebuch "WM intim" oder Per Wahlöös Roman "Foul Play", der hierzulange wirklich nur Insidern ein Begriff ist. Interessanterweise hat Redelings zwar Max Merkels Erstlingswerk "Geheuert, gefeiert, gefeuert" aus dem Jahr 1980 aufgenommen, nicht jedoch die Anfang der 90er erschienenen Bücher "Das Runde ist der Ball" und "Man muss auch verlieren können". Obwohl Lästermaul Merkel in "Das Runde ist der Ball" etliche Stories aus seinem Erstlinswerk frech nach- und zweitverwertet hat, war dieses Buch für mich interessanterweise trotzdem das prägendere, weil es deutlich ausführlicher und scharfzüngiger ausfällt und seinerzeit über etliche Wochen und Monate die Auslagen in den Buchhandlungen prägte. Sehr nett war das Wiedersehen mit diversen Schmökern aus der zweiten Reihe, etwa Jupp Derwalls Biographie - hier hätte ich mir ob der allzu großen Zurückhaltung, die sich der Bundestrainer a.D. auferlegt hatte, allerdings eine kritsche Einordnung gewünscht -, Pierre Littbarskis Erinnerungen "Litti", Klaus Schlappners "Mit Erfolg gegen den Strom" oder Jörg Wontorras "Halbzeit mit Helden". Dass Redelings natürlich auch die üblichen Verdächtigen - "Fever Pitch", "Eine Saion mit Verona" oder "Der Traumhüter" - aufnimmt und über Gebühr bejubelt, war erwartbar und sei ihm verziehen. Weniger Verständnis habe ich für den Umstand, dass sich Anfang der 80er Jahre zwar pseudo-intellektuelle Schlaumeier-Bücher wie Dieter Hildebrandts "Die verkaufte Haut" finden, aber kein Eintrag zu Hans Blickensdörfers "Pallmann", der für Fußball-Romane ein unfassbar hohes Niveau statuierte, das meines Erachtens bis heute nicht mehr ereicht wurde. Aber - wie gesagt - die Auswahl musste Geschmackssache sein.

Dass der - offenbar inzwischen auch wieder von der Bildfläche verschwundene - Bombus-Verlag beim Lektorat gespart hat und im Buch aus Reiner Calmund "Reiner Callmund" wird, und Redelings mitunter allzu großzügig aus dem Klappentext der vorgestellten Bücher zitiert - geschenkt! Auch die Rankings der Promis sind weitgehend erwartbar, oft beifallheischend und wenig spannend. Aber das ist auch schon alles, was ich an dem Buch zu meckern habe. Heißt: Unter dem Strich bleibt ein beträchtliches Lesevergnügen. Auch rund zwanzig Jahre nach Erscheinen ist "Der Ball ist eine Kugel" einen Kauf wert.

Ben Redelings: "Der Ball ist eine Kugel. Das große Buch der Fußballbücher", Bombus Verlag