Samstag, 3. Juni 2023

Spannende Geschichte - leider nur mäßig erzählt

Der deutsche Fußballtrainer Tim Jost (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Ex-Handballer, der sich inzwischen im Fußball-Marketing tummelt) hat für ein knappes Jahr in der Premier League Tansanias gearbeitet - beim bettelarmen Underdog Toto African SC aus der Stadt Mwanza am Victoriasee. Seine Erlebnisse hat er im Buch "Ballzauber in Tansania" zusammengefasst und damit eines der umfangreichsten deutschen Werke über den Profifußball in Afrika überhaupt vorgelegt.

Nun muss man "Profifußball" an der Stelle richtig einordnen - die Premier League in Tansania dürfte nach hiesigen Maßstäben oberes Landesliga- bis mittleres Oberliga-Niveau darstellen, die Spielergehälter liegen bei ca. 120 bis 150 Euro pro Monat beim notorisch klammen Toto African SC und bei ca. 360 Euro bei den besser gestellten Vereinen, bei den großen Klubs dürften sie knapp vierstellig ausfallen. Der Saisonetat von Toto African SC liegt bei ca. 100.000 Euro, der der großen Vereine bei ca. einer Million.

Jost erzählt seine Geschichte chronologisch - er kam im Rahmen einer Entwicklungshilfeprojekts als Co-Trainer zum Klub und übernahm, nachdem der Cheftrainer einige Wochen nach Saisonbeginn hinschmiß, dessen Job - mit einem guten Blick für Details und das Alltags-Tansania bis zum bitteren Ende, als er vom mächtigen Präsidenten, einem Apotheker, sechs Spieltage vor Schluss auf kalte Weise ausgebootet wurde: Plötzlich gab es einen zweiten Trainer, mit dem sich Jost die Aufgaben auf nicht näher definierte Weise teilen sollte - den Medien wurde der vermeintlich zweite Mann derweil als der neue Chef verkauft. 

Das Buch ist hochspannend, Josts Geschichten sind teils köstlich - etwa, wenn der Fahrer des Mannschaftsbusses bei einer Auswärtsfahrt das Benzingeld nutzt, um sich mit einer Prostituierten zu vergnügen, und das Team am örtlichen Busbahnhof Plätze für eine Fahrt nach Mzwanza anbieten muss, um die Rückreise finanzieren zu können -, teils nachdenklich stimmend, etwa wenn es um den zynischen Umgang des allmächtigen Präsidenten mit Spielern und Vereinsfunktionären geht. Jost schildert die endlosen Busfahrten über hunderte, tausende Kilometer, die immer neuen Gründe, warum das Team am Ankunftsort kein vernünftiges Hotel erwartet (oft gar keins), was die Spieler essen, wie sie leben, wie man sich in Mwanza fortbewegt, seine Essenseinladung beim Präsidenten, als eine im Ganzen gebratene Ziege serviert wurde, welchen Einfluss Zauberer und Medizinmänner auf den Fußball haben usw. Kurz: Er nimmt uns mit in seinen Alltag als Trainer eines afrikanischen Profiteams - und genau das ist es, was ich mir von einem solchen Buch wünsche.

Wenn ich am Ende dennoch nicht so ganz glücklich war, dann vor allem deshalb, weil Tim Jost zwar ein passabler Fußballtrainer sein mag, das Schreiben aber ist seine Sache ganz sicher nicht. Ich frage mich, wieso es hier kein gründlicheres Lektorat gab, das zumindest die gröbsten Schnitzer begradigt. Da ist zum einen die völlig unnötig rüde Sprache - Zahnreihen sind "Kauleisten", Beine sind "Stelzen", ein Mund ist die "Futterluke", und es wird nicht gespuckt, sondern "gerotzt", nicht geraucht, sondern "gequarzt". Muss ich alles nicht haben. Zum anderen sind da all die missratenen, verunglückten Bilder, die das Lesen mitunter verdammt mühsam machen: "Für mich hat der Zwischenstand nach drei Spieltagen die Aussagekraft eines Lückentextes aus Grundschulzeiten – gar keine. [...] Nach einem Konter ist es Waziri, der zwischen die Verteidiger spritzt und den Ball an die Latte klebt.[...] In der Schlussphase probieren wir noch einmal, die Abwehr zu knacken und drücken das Gaspedal ans Bodenblech [...] Chuku lacht sich den Karies von den Zähnen [...] Die Spieler auf den Außenbahnen sorgen dafür, dass der gegnerische Abwehrpanzer überfallartig detoniert [...].

Unter dem Strich steht ein höchst spannendes Buch über den Profifußball in Tansania, dem man eine etwas sorgfältigere Aufbereitung gewünscht hätte.

Tim Jost: "Ballzauber in Tansania", Verlag Meyer & Meyer