Heute wählen wir mal wieder etwas aus der Kiste mit den schon angestaubten Werken. Als ich neulich in einem Berliner Antiquariat Waldemar Hartmanns Büchlein "Born to be Waldi" liegen sah, griff ich für kleines Geld zu - und wurde bitter enttäuscht. Das 2009 erschienene Buch wurde seinerzeit als Enthüllungsbuch beworben ("Deutschlands beliebtester Sportmoderator packt aus."). Das ist es nicht ansatzweise. Und selbst wenn ich Hartmann mal zugute halte, dass es vermutlich mehr oder weniger eine zwischen zwei Buchdeckel gepresste Variante seines damaligen Bühnenprogramms ist, habe ich mich über die wirklich üble Mischung aus schlüpfrigen Altherrenwitzen, albernen Plattheiten, bemühten Wortspielen und schon tausendmal gehörten Stories sehr geärgert.
Ein Beispiel: Über zwei Seiten erzählt Waldi in schlaumeierischem Ton die Geschichte des legendären Schiedsrichters Wolf-Dieter Ahlenfelder, der - nachdem er 1975 vor einem Spiel von Werder Bremen gegen Hannover 96 sein Mittagessen mit zu viel Bier und Aquavit heruntergespült hatte - die erste Halbzeit bereits nach 32 Minuten abpfiff. Das führte unter anderem dazu, dass man am seinerzeitigen Ort des Geschehens, der Bremer Vereinsgaststätte, (angeblich) bis heute einen "Ahlenfelder" bestellen kann und folgerichtig Bier und Schnaps serviert bekommt. Das Problem hierbei ist: Waldi hat nicht das geringste Recht, uns diese Geschichte aufzutischen und mit solchem Zeug ein Buch zusammenzuschustern. Denn er hatte damals weder mit den Spiel noch mit Ahlenfelders Aussetzer irgendetwas zu tun und die Story stand seither schon in gefühlt einer Million Zeitungsartikeln und Büchern. Auch zu Mehmet Scholls dümmlichem Spruch, "Hund bei Uli Hoeneß" sein zu wollen, hat Hartmann keinerlei speziellen Zugang oder Bezug, ebenso wenig zu Willi Lemkes Tätigkeit als Doppelagent für BND und KGB. Und darüber wurde an anderer Stelle ebenfalls bereits zigfach geschrieben, oft weitaus fundierter und berechtigter. Derartige Zweit-, Dritt- und Viertverwertungen prägen leider das ganze Buch.
Was mich weiterhin ärgert: In anderen Besprechungen hatte ich ja wiederholt darauf hingewiesen, dass ich mir meinungsstarke Autoren wünsche, die Klartext reden. Auf den ersten Blick tut Waldi genau das. So arbeitet er sich beispielsweise engagiert am früheren Bundestrainer Berti Vogts ab, dem "mausgrauen Trainer von der traurigen Gestalt", von dem er offensichtlich nichts hält. Mit Franz Beckenbauer, so Waldi, wäre das DFB-Team 1994 locker erneut Weltmeister geworden, das Finale Brasilien - Italien sei ein so grausamer Kick gewesen, den hätte die deutsche Elf, von Franz auf Linie gebracht, problemlos gewonnen. Mit "meinungsstark" meine ich natürlich: "Meinungsstark in Bereichen, in denen der Autor tatsächlich Insidereinblicke und/oder Expertise hat." Völlig unsubstantiierte, durch nichts begründete, einfach mal aus der Hüfte geschossene Behauptungen, die so oder so ähnlich genauso gut von Otto Normalfan nach dem dritten Bier kommen, sind hingegen eine Verschwendung meiner Zeit.
Selbst in den Bereichen, in denen Hartmann sicherlich Insidereinblicke hat, bleibt er oberflächlich und allgemein. "Natürlich weiß jeder, dass er seine Kolumnen nicht selbst schreibt", heißt es da beispielsweise über Lothar Matthäus. "Er gibt seinen Namen dafür her." Das wäre doch nun die Gelegenheit gewesen, mal aus der Schule zu plaudern. Wer ist beziehungsweise war denn Lothars Ghostwriter? Raimund Hinko? Oder Wolfgang Ruiner? Und was genau weiß Waldi darüber? So aber bleibt "Born to be Waldi" am Ende tatsächlich nur die Verschriftlichung eines auf billige Punkte und alkoholisierte Lacher ausgerichteten Comedy-Programms. Schade!
Waldemar Hartmann: "Born to be Waldi", Heyne Verlag