Sonntag, 10. Dezember 2023

Hier steckt Arbeit drin: Großartiges Buch über die Eintracht

Ich war nie ein Fan der Frankfurter Eintracht, aber es gab für mich immer wieder mal Gründe, um den Weg des Vereins zumindest vorübergehend enger zu verfolgen: Der einzigartige Lajos Detari, Ende der achziger Jahre mit 3,6 Millionen Euro der damals teuerste Einkauf eines Bundesliga-Klubs, Jörg Berger, zweimaliger Retter vor dem Abstieg, Christoph Daum bei einem seiner wenigen missglückten Engagements, Pal Csernai in der Spätphase seiner Trainerkarriere - immer wieder tauchten am Riederwald Protagonisten auf, die mich dann doch mit der Eintracht fiebern ließen. 

Grund genug, mir jetzt einmal das im Vorjahr erschienene Buch "Eintracht intim" von Jörg Heinisch vorzunehmen. Nun sind Bücher von langjährigen, eingefleischten Fans nicht automatisch gut - wenn sich der Blick durch die rosarote Brille des Anhängers mit einer nur eingeschränkten Fähigkeit, seine Gedanken auch zu Papier zu bringen, verbindet, ist das Ergebnis häufig grausam. Hier jedoch nicht. Heinischs Blick ist nicht verklärt, seine Fähigkeit zur Recherche ausgeprägt, seine Kenntnisse sind fundiert und sein Schreibstil ist unterhaltsam. Teilweise zieht er Originalquellen heran, weil er mit Spielern, Trainern oder Funktionären gesprochen hat, teilweise greift er auf Sekundärliteratur zurück, die man allerdings - wie zum Beispiel das Mitte der achtziger Jahre in einem kleinen Verlag und mit einem fürchterlichen Layout veröffentlichte Buch "Gefeiert – Gefeuert. Macht und Ohnmacht der Fußballtrainer“ von Dieter Hochgesand oder die nur in Ungarn erschiene Biographie Lajos Detaris - auch erst einmal kennen bzw. haben muss (in meinem Regal stehen beide :-)).

Heinischs wirklich akribische Arbeit - ich möchte gar nicht wissen, wieviele zigtausend Bücher er verkaufen muss, um auf einen halbwegs respektablen Stundenlohn zu kommen - zahlt sich aus: Das Buch ist ein großartiges Lesevergnügen mit gut geschriebenen Texten und herrlichen, oft seltenen Fotos. Und da Heinisch auch und gerade "meinen" Zeitraum, also die ausgehenden Achziger und beginnenden Neunziger, ausgiebig beleuchtet, begegne ich im Buch etlichen alten Freunden: Ob Matthias Ohms oder Lajos Detari, Bernd Hölzenbein oder Dragoslav Stepanovic, Jörg Berger oder Maurizio Gaudino, Uwe Bein oder Klaus Toppmöller - es ist wie eine Art Klassentreffen mit einem Feuerwerk aus bekannten (aber nochmal schön erzählten) oder unbekannten Anekdoten. Dass das Ganze stellenweise sehr bunt durcheinander gewürfelt wirkt und dass zum Beispiel der völlig überschätzte Ansgar Brinkmann auch von Heinisch einen Stellenwert eingeräumt bekommt, den seine Karriere und seine Verweildauer in Frankfurt nicht rechtfertigen - geschenkt. Das sind nichts als kleine Besserwisser-Nörgeleien. 

Unter dem Strich ist "Eintracht intim" ein wirklich großartiges Buch schon für mich als Nicht-Fan der Frankfurter; für Anhänger des Vereins erst recht. Kompliment an Jörg Heinisch - ich würde mir wünschen, dass es vergleichbar akribische Werke auch zu "meinen" Vereinen gibt.

Jörg Heinisch: "Eintracht intim", Verlag Die Werkstatt