(KM) Hier ist wieder mal ein überaus leckerer Snack für zwischendurch: Weit über zwanzig Jahre alt, im Buchhandel längst vergriffen, aber auf einschlägigen Plattformen für kleines Geld zu haben - und einfach nur wunderbare Unterhaltung: "Gefährlicher Strafraum: Die Geschichte eines Transfers" von Jürgen von Einem (KS Verlag). Der gelernte Journalist und langjährige Sportbeauftragte des Bayer-Konzerns von Einem verarbeitet in dieser bitterbösen Satire seine enge Zusammenarbeit mit Reiner Calmund, der im Buch in Form des nachnamenlosen Bundesliga-Managers Reinhold (Leitsatz: "Nicht die Großen fressen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen.") ein literarisches Denkmal erhält. Begleitet von dem Lebenskünstler-Journalisten Carlos, der als Stichwortgeber dient, fliegt Reinhold nach Mexiko-City, um den Transfer des begnadeten Stürmertalents Jaime Ortiz perfekt zu machen.
Die Reise, die im Flugzeug nach Miami mit einem Upgrade in die Erste Klasse optimal beginnt, wird zu einer herrlichen Abfolge opulenter Mahlzeiten, feuchtfröhlicher Abende, hartleibiger Verhandlungen mit rauhbeinigen Präsidenten und traumhafter Momenten der Entspannung im Sonnenuntergang von Acapulco. Geführt von einem landeskundigen deutschen Expatriate erkunden Reinhold und Carlos das schöne und zugleich höchst zwielichtige Mexiko. Der schwergewichtige und mit allen Wassern gewaschene Manager besucht das Objekt seiner Begierde in dessen Wohnung - mit Geschenken für die Kinder unter dem Arm - und den Präsidenten des (scheinbar gar nicht) verkaufswilligen Vereins in dessen feudaler Villa im noblen Viertel Pedregal. Nicht alles läuft so, wie Carlos es sich gedacht hat, aber darauf kommt es gar nicht an. Denn hier ist ganz klar der Weg das Ziel.
Jürgen von Einem erweist sich zum einen als intimer Kenner Mexikos - was die auf den ersten Blick ungewöhnliche Ortsverlagerung erklärt; bekanntermaßen war Reiner Calmund vorzugsweise in Brasilien unterwegs - und zum anderen als überaus genauer Beobachter. Egal ob es um Gated Communities, die Rolle der Presse, das Fußball-Business im WM-Gastgeberland von 1986, den Umgang mit der Polizei, das organisierte (und das weniger organisierte) Verbrechen oder einheimische Spezialitäten zum Frühstück, Mittag- und Abendessen geht - hier weiß jemand, worüber er schreibt. Am interessantesten waren für mich die Verhandlungen, die Reinhold mit dem mexikanischen Klubboss und dessen Vorstandskollegen führt, weil sie bei aller Überspitzung tief blicken lassen, wie sich derartige Szenen in der Realität abspielen oder zumindest seinerzeit abgespielt haben. Etwas verwundert hat mich, dass Jürgen von Einem mit diesem Buch bei einem so kleinen Verlag gelandet ist. Zwar liest sich das Buch hier und da für einen Journalisten etwas sperrig und ungelenk - etwa, wenn Reinhold "den letzten Sandwich" verspeist -, aber dennoch hätte es seinerzeit ohne Weiteres ins Programm der Großen der Branche gepasst. Es ist ein herrlicher (und informativer) Lesespass für zwischendurch, den ich mit großer Freude weiterempfehle.
Jürgen von Einem: "Gefährlicher Strafraum: Die Geschichte eines Transfers", KS Verlag