Montag, 25. August 2025

Deadline Day: Das Begleitbuch zu Transfermarkt.de

Schon mehrere Autoren haben sich an einem Buch über den für Fußballfans wohl spannendsten Marktplatz der Welt versucht. Da ist Alan Gernons "The Transfer Market: The Inside Stories" oder "Done Deal: An Insider's Guide to Football Contracts, Multi-Million Pound Transfers and Premier League Big Business" von Daniel Geey oder auch Jim Whites "Deadline Day: The Inside Story Of Football’s Transfer Window". Allerdings hat mich keines dieser Bücher wirklich überzeugt. Zu schematisch, zu lehrbuchhaft, zu steril, zu weit weg vom Geschehen - und naturgemäß mit dem Schwerpunkt auf dem englischen Fußball, der mich auch nicht übermäßig interessiert. Da kam mir das erste Buch des langjährigen Transfermarkt.de-Mitarbeiters Max Ropers - "Deadline Day: Warum der Transfermarkt uns Fußball-Fans so fesselt" (Ullstein) - gerade recht.
 
 Über Transfermarkt.de haben wir schon an anderer Stelle gesprochen. Wer sich für Spielerwechsel und die Gerüchte um diese Wechsel, für Marktwerte, Ablösesummen und Beteiligungsklauseln in all ihren Facetten interessiert, kommt an der Seite kaum vorbei. Zudem ist es Transfermarkt.de in ähnlich großartiger Weise wie Wikipedia gelungen, eine Community aufzubauen, die für diese Seite lebt und sie trägt. Anmerkung am Rande: Umso unverständlicher ist in meinen Augen der teils ignorante und arrogante Umgang mit den Nutzern. Ein Leser unseres Magazins und langjähriger Account-Holder bei TM berichtete mir neulich, dass er sich wegen eines Newsletters - den gab es mal, der wurde aber vor ein paar Jahren stillschweigend eingestampft - an die Transfermarkt-Redaktion gewandt habe. Er wurde noch nicht einmal einer Antwort für würdig befunden. So bindet man Kunden...

Aber zurück zum Buch - beziehungsweise zum Autor: Ropers hat bei Transfermarkt, also einer ursprünglich von Fans für Fans ins Leben gerufenen Seite, gearbeitet, für sein Buch aber zusätzlich auch etliche Interviews geführt. Er steht mithin, so mein Eindruck, an der recht spannenden Schnittstelle zwischen Fan und Insider, ohne dass "Deadline Day" allerdings wirklich exklusive Inneneinsichten vermittelt. Dafür kommen zu viele Informationen aus zweiter Hand, aus dem "Kicker" und aus "Sport-Bild" und diversen Fußballbüchern, und dafür waren die Interviews zu sehr auf Analysen und Wertungen gerichtet. Aber als unterhaltsame und sehr schön lesbare Draufsicht auf den Transfermarkt taugt "Deadline Day" allemal - und das deutlich mehr als die oben genannten englischsprachigen Vorläufer.
 
Ropers widmet sich zunächst den historischen Anfängen des Transfergeschehens und der Zäsur durch das Bosman-Urteil, beschäftigt sich dann mit den Transfer-Rahmenbedingungen und -strategien deutscher Klubs und wechselt schließlich in die Premier League. Das alles gelingt mal mehr, mal weniger gut. So mochte ich die galante, federleichte Art, wie Ropers mich von einem Bundesligaklub zum nächsten führt und mit wenigen Strichen schöne und präzise Skizzen aufs Papier wirft. An anderen Stellen vermisste ich allerdings ein wenig den roten Faden und die Herstellung von Zusammenhängen. Zudem hatte ich den Eindruck, dass der Autor - vielleicht altersbedingt - zu allem, was in Deutschland vor dem Bosman-Urteil passierte, wenig bis keinen Bezug hat. Denn Transfers gab es in der Bundesliga seit ihrem Bestehen. Und im Grunde war die Zeit vor Bosman noch spannender, denn Spieler kosteten - aus heutiger Sicht unvorstellbar - auch nach Vertragsende noch Ablöse. Damals waren Vereine in der klar stärkeren Position. Entsprechend feindselig beäugten und bekämpften sie die Pioniere unter den Spielerberatern, die ihren Klienten zu vorteilhafteren Konditionen verhalfen. Das hätte Stoff für interessante Geschichten geliefert. Doch Wolfgang Fahrian, Norbert Pflippen oder Holger Klemme kommen bei Ropers praktisch nicht vor. Und einige Einordnungen des Autors halte ich zudem schlicht für falsch. Es stimmt nicht, dass sich die Vereine damals langfristige Verträge mit Spielern "nicht leisten" konnten. Sie hatten gar kein Interesse, sich derart zu binden, weil sie - siehe oben - auch nach Vertragsende noch Ablöse kassierten. Und es ist auch nicht richtig, dass der FC Bayern 1984 Kalle Rummenigge ganz dringend verkaufen "musste". Manager Uli Hoeneß hat vielmehr einen Gig getanzt, als die Mailänder mit ihrem sensationellen 11-Millionen-DM-Angebot für den sportlich längst auf dem absteigenden Ast befindlichen Star kamen: "Dafür hätten wir den Kalle auch in einer Sänfte über die Alpen getragen", wurde Hoeneß hinterher zitiert. Apropos Manager: Die, so der Autor, hätten früher, als es noch keine Kaderplaner, Sportvorstände usw. gab, als Mädchen für alles einen 24-7-Job gehabt. Das war damals gar nicht mein Eindruck - im Gegenteil, Uli Hoeneß wirkte nie gänzlich ausgelastet. Und Ropers weist wenige Zeilen später selbst darauf hin, dass Reiner Calmund in den 90er Jahren "monatelang in Brasilien Spieler gescoutet" habe. Mit 24-7 hätte das kaum funktioniert. Noch einmal einige Seiten später, Ropers ist schon bei der Premier League, huldigt er Jürgen Klopp dafür, dass dieser erkannt habe, dass die individuelle Klasse eines Spielers vom Erfolg des jeweiligen Vereins zu trennen ist und deshalb bei Absteigern oder Vereinen, bei denen es gerade nicht läuft, großartige Kicker zu Schnäppchenpreisen zu bekommen sind. Alles schön und gut, aber Otto Rehhagel hat schon vor vierzig Jahren nach diesem Prinzip eingekauft (Mirko Votava, Manfred Burgsmüller, Klaus Allofs etc.). Alles nicht so neu also.

Last but not least hätte ich mir durchaus etwas mehr Nähe zum Geschehen und zu den Protagonisten gewünscht, um - siehe oben - die Faszination des Transfermarktes noch stärker zu spüren. Die "Süddeutsche" hat neulich ein längeres Interview mit Markus Krösche (Eintracht Frankfurt) geführt und mit wenigen Fragen jene Art von Informationen aus ihm herausgeholt, die ich hochspannend finde und auch im Buch gern gelesen hätte: Beispielsweise dass der größte Teil der Transferverhandlungen nicht etwa persönlich, sondern per E-Mail stattfindet. Dass es eine überschaubare Welt ist, in der man sich immer mal wieder trifft, und deshalb Deals ohne Verlierer die besten sind. Dass Krösche anstrebt, Transfers innerhalb von zehn Tagen abzuwickeln, um keine Neverending-Story daraus werden zu lassen. Oder dass er zufällig genau zu der Zeit, als Frankfurt und Liverpool über den Ekitiké-Wechsel pokerten, auf der gleichen griechischen Insel Familienurlaub wie sein Liverpooler Pendant Richard Hughes gemacht habe: "Wir waren nur zwei Stunden entfernt und hätten uns treffen können, haben wir aber nicht.".
 
Fazit: "Deadline Day" ist nicht ohne Schwächen, aber unter dem Strich dennoch ein sehr gelungenes und lesenswertes Debüt. Interessanterweise erscheint in den nächsten Tagen ein echtes Konkurrenzprodukt: Christian Falk, Sportchef der "Bild"-Gruppe und selbsternannter Bayern-Insider, der bei uns im Fußballbücher-Magazin schon wiederholte Erwähnung fand (siehe hier und hier und hier), bringt sein drittes Buch auf den Markt: "Transfer-Insider: Die Geheimnisse hinter den Millionendeals. Mr True packt aus". Wir sind gespannt!
 
Max Ropers: "Deadline Day: Warum der Transfermarkt uns Fußball-Fans so fesselt", Ullstein