Sonntag, 6. Oktober 2024

Der Sonnenkönig aus Dublin

Der Fußball in Irland steht hierzulande eher selten im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit - was kein Wunder ist, flüchtet doch praktisch jeder Kicker der grünen Insel, der halbwegs talentiert ist, in die englischen Ligen oder zu einem Verein auf dem Festland. Aber nachdem ich durch Giovanni Trapattonis Autobiographie mit der irischen Nationalmannschaft in Berührung gekommen bin, war es nur ein kleiner Schritt zum Buch „Champagne Football“ von Mark Tighe und Paul Rowan. Darin geht es um den langjährigen Fußballfunktionär John Delaney, der von 2005 bis 2019 als Geschäftsführer die Geschicke des irischen Fußballverbandes FIA lenkte. 

Der Buchtitel deutet es bereits an: Hier erwartet uns kein grauer Verwaltungsalltag in schlecht gelüfteten Büros mit Resopaltischen und Kaffe aus Plastikbechern. Obwohl im europäischen Vergleich lediglich Herrscher eines fußballerischen Zwergenstaates, muss man sich John Delaney als eine Art Sonnenkönig aus Dublin vorstellen, als irischen Chuck Blazer: Ein Jahresgehalt von bis zu 416.000 Euro, das einigen seiner Kollegen aus weitaus größeren Verbänden wie Italien und Spanien Tränen des Neids in die Augen getrieben haben dürfte, dazu die Kosten für ein Luxuspartment in Dublin, eine Spesenkreditkarte, die er ausgiebigst molk inklusive üppiger Barabhebungen und Einkäufe in edlen Juwelierläden, Luxusaufenthalte in New York und Dhubai, die sich nur schwer einem dienstlichen Zweck zuordnen ließen, vom Verband gesponserte Geburtstagsfeiern, ebenso auf Verbandskosten geleistete ominöse Zahlungen für "Diensteistungen" an die Ex-Freundin und Geschenke für die seinerzeit aktuelle Dame seines Herzens (übrigens ein Ex-Fotomodell, mit dem Delaney bei offiziellen Terminen wie ein verliebter Teenager wild herumknutschte) - der irische Top-Funktionär hat wirklich nichts ausgelassen. Zu allem Überfluss ließ er sich von willfährigen ehrenamtlichen Vorstandsmitgliedern auch noch mit einem Vertrag der Kategorie "Aktion Abendsonne" ausstatten - bei einem freiwilligen oder erzwungenen Abschied vom Verband hatte er Anspruch auf insgesamt rund drei Millionen Euro Kompensationszahlungen. 

Gestolpert ist Delaney am Ende ironischerweise nicht über einen weiteren Griff in die Kasse, sondern über eine Zahlung an den Verband. Der war nach all den Plündereien so klamm, dass Delaney ihm einen "Überbrückungskredit" von 100.000 Pfund gewähren musste, um eine Zahlungsunfähigkeit zu vermeiden. Doch als die Geschichte an die Presse lanciert wurde, begann Delaneys Abstieg. Rechnungsprüfer und Politik fragten, wieso ein Verband mit einem zweistelligen Millionenumsatz einen Kredit seines Geschäftsführers brauchte, um flüssig zu bleiben - und wieso kein Verbandsgremium davon wusste. Untersuchungen wurden eingeleitet, Anhörungen anberaumt. Nach und nach kamen all die unappetitlichen Einzelheiten von Delaneys selbstherrlicher Amtsführung ans Licht - wie er immer raffgieriger und dreister wurde, während die Gehälter der anderen Verbandsmitarbeiter (kaum einer machte mehr als 30.000 Euro im Jahr) während der Finanzkrise gekürzt wurden, sich die irischen Fußballfrauen nach Spielen auf Flughafentoiletten umziehen und ihre Klamotten an den Verband zurückgeben mussten und wie Gelder für das Obdachlosennationalteam gekürzt wurden, während Delaney exorbinante Summen allein für Restaurantbesuche in Nähe seines Apartments - ebenfalls ohne erkennbaren dienstlichen Anlass - ausgab. Bemerkenswert ist am Ende eigentlich nur, dass er weder einen Tag im Gefängnis verbrachte noch wirklich nennenswerte Rückzahlungen leisten musste.

Fazit: Wen ein Lehrstück, wie ein Fußballverband zum Selbstbedienungsladen eines raffgierigen Funktionärs verkam, interessiert, der ist mit "Champagne Football" bestens bedient.

Mark Tighe / Paul Rowan: "Champagne Football: John Delaney and the Betrayal of Irish Football: The Inside Story",  Penguin Ireland