
Ich war immer ein großer Anhänger von
Raimund Hinko - und meine Erinnerung an seine Zeit als
"Sport-Bild"-Bayern-Reporter wird nicht zuletzt deshalb immer schöner, weil ich mit seinem allzu selbstgefälligen Nachfolger Christian Falk bekanntermaßen so gar nichts anfangen kann (siehe Buchbesprechungen
hier und
hier und
hier).
Hinko hatte, und das ist in meinen Augen schon die halbe Miete in diesem Geschäft, zum einen etwas Unverwechselbares in seiner Art zu berichten und zu schreiben. Ab Anfang der 90er war er als "Sport-Bild"-Chefreporter - zuvor hatte er schon jahrelang für die Münchner
"Bild"-Ausgabe über den FC Bayern berichtet - mehr als ein Jahrzehnt der vertraute Begleiter des Rekordmeisters: Hinko im Interview mit
Uli Hoeneß, Hinko im Gespräch mit
Jupp Heynckes, Hinko im Plausch mit
Sören Lerby - und natürlich wieder und wieder mit
Lothar Matthäus, mit dem ihn ein besonders enges Verhältnis verband. Dank der Angewohnheit des Magazins, Fotos der jeweiligen Interview- oder Besuchssituation zu drucken, wurde Hinko eine Art alter Bekannter, der mir fast Woche für Woche aus der "Sport-Bild" entgegenblickte. Dabei schien er immer ein wenig gebückt zu stehen, so, als wolle er seinen jeweiligen Gesprächspartner keineswegs überragen, ihm nicht die Show stehlen, sich auf keinen Fall in den Vordergrund drängen. Ja, er wollte die anderen gut aussehen lassen, nicht in erster Linie sich selbst. Und er hat sich in dem hochkomplexen Spannungsfeld aus wohl unvermeidbarer Kumpanei eines "eingebetteten" Journalisten mit guten Kontakten einerseits und gebotener Kritik (über Sören Lerbys Trainerzeit konnte man irgendwann nicht mehr positiv berichten) und unvermeidbarer Ehrlichkeit (als
Gerd Müllers Alkoholprobleme publik wurden, musste auch die "Sport-Bild" auf den Zug aufspringen und Hinko, der es im Zweifel länger wusste als die meisten anderen, darüber schreiben) andererseits alles in allem ganz gut bewegt.
Mich wundert übrigens bis heute, dass noch kein Verlag an Hinko herangetreten ist, um ihn um seine Memoiren zu bitten. Immerhin ist er inzwischen im Rentenalter und hat vielleicht schon bald keine Lust mehr, sich die Mühe zu machen, ein Buch zu schreiben. Es wäre schade, wenn sein großes Wissen über die Bayern und seine Erinnerungen an die Arbeit bei der damals noch jungen "Sport-Bild" (kam 1988 auf den Markt) in den frühen 90er Jahren, also lange vor Internet und Social Media, verloren gingen. Ein derartiges Buchprojekt hätte auch kommerziell gute Aussichten.
Wieso ich das alles erzähle? Weil Hinko zum kürzlich von der "Sport-Bild"-Redaktion herausgegebenen und bei Delius Klasing erschienen Jubiläumsband "125 Jahre Bayern München" als Autor beigetragen hat. Und allein das ist ein Grund, mal in dieses 224-Seiten-Werk hineinzuschauen. Für Fans der Münchner ist das Buch ein herrlicher Leckerbissen aus Zahlen, Fakten, Anekdoten, Erinnerungen und schönen Fotos. Und, ja, wer sich für eine solche bunte Geburtstagsgabe entscheidet, erwartet und bekommt natürlich keine kritische Analyse des unaufhaltsamen Aufstiegs der Bayern a la Hans Wollner. Nein, es ist ein Wohlfühlbuch, und dagegen ist auch gar nichts einzuwenden. Ausführlich wird Saison für Saison betrachtet und bebildert und die Stimmung eines jeden Jahres alles in allem gut eingefangen. Abgerundet wird das Ganze durch ein paar Extrabeiträge, etwa von Raimund Hinko zum legendären Mia-san-mia-Gefühl der Bayern. Neben Hinko haben weitere Bayern-Kenner aus dem Hause Springer mitgewirkt, zum Beispiel Falk oder Tobias Altschäffl. Und das Ergebnis ist solide Unterhaltung. Sicher, dramatische Neuigkeiten wird es für eingefleischte Bayern-Fans nicht geben. Und nicht alles ist hundertprozentig genau recherchiert - so wurde zum Beispiel Toni Schumacher keineswegs vor der Saison 1991/92 neben Berthold, Wouters und Kreuzer sowie den Brasilianern Mazinho und Bernardo [gezielt] als "namhafter Spieler" und Verstärkung verpflichtet. Er arbeitete vielmehr bereits als Torwarttrainer bei den Bayern und wurde im Oktober 1991 in höchster Not reaktiviert, nachdem mehrere Bayern-Keeper verletzt ausfielen. Und auch Jan Wouters kam nach meiner Erinnerung erst im Saisonverlauf. Aber das sind letztlich Kleinigkeiten. Unter dem Strich steht ein schönes, unterhaltsames Buch zum Blättern, ein Buch, das dazu einlädt, sich mit einer riesigen Tasse Kakao aufs Sofa zu setzen und in alten Erinnerungen zu schwelgen.
Matthias Brügelmann (Hrsg.): "125 Jahre Bayern München", Delius Klasing