Dienstag, 3. Oktober 2023

Selbstgefällige Erinnerungen eines intriganten Spalters

Es ist ja mitunter etwas verräterisch, wenn für die Hörbuchausgabe einer Biographie die jeweiligen Protagonisten selbst zu Wort kommen. Das war schon bei Dieter Bohlen zu beobachten, der eine stark gekürzte Fassung seines Bestsellers "Nichts als die Wahrheit" selbst las und dabei mit traumwandlerischer Sicherheit jede einzelne Pointe versemmelte. Und auch Mario Basler liefert eine ganze Menge an Fremschäm-Momenten, wenn er sich stockend und mühsam Wort für Wort buchstabierend durch ausgewählte Passagen seines Buch quält und dabei beharrlich falsch betont. Leider ist das noch der kleinste Kritikpunkt an einem Werk, das selbst dem wohlwollendsten Leser einiges abverlangt. 

Ob man Mario Basler nun mag oder nicht - wer sich für die Bundesliga in den späten 80ern und frühen 90ern interessiert, der kommt an seiner Biographie nur schwer vorbei. Und immerhin: Als (eigentlicher) Autor tritt hier kein Geringerer als Alex Raack auf, der mit "Volle Pulle" eines der wohl besten Fußballbücher der letzten Jahre vorgelegt und dabei eines nachdrücklich bewiesen hat: Erzählen kann der Mann! Auch ihm ist es jedoch nicht gelungen (oder er hat es vielleicht auch gar nicht versucht), seinem Sujet die charakteristische dummdreist-bräsige, gönnerhafte Selbstgefälligkeit auszutreiben, die sich leider Gottes auch noch mit einer fatalen Vorliebe für stereotype Redewendungen verbindet: Basler raucht "Kippen", er hofft, mit dem FC Bayern "Silberware" zu gewinnen, er liebt "Weintrauben in gepresser Form" und bei seinem Abschiedsspiel - logisch, dass auch diese dümmliche Formulierung nicht fehlen darf - hatte er "Pipi in den Augen". 

Aber auch das ist noch nicht das eigentliche Problem des Buches. Nein, wirklich quälend sind all die selbstbeweihräuchernden, selbstgefälligen Heldengeschichten eines nur schwer erträglichen Schlichtmichels (Bernd Stange: "Bis zum Hals Weltklasse, darüber Kreisklasse."). Beispiele gefällig? Nur zu gern: Basler,  noch bei Werder Bremen, meint, dass es an der Zeit ist, zum FC Bayern zu wechseln. Nur leider kommen die etwas einfältigen Bayern-Bosse nicht so recht aus dem Knick. Kein Problem für Super-Mario, den kühnen Strategen: Geschickt platziert er über die Medien einen "Köder", indem er einen Tausch gegen Andy Herzog ins Spiel bringt, der von den tumben Bayern Bossen auch prompt "geschluckt" wird. Später, nach einer seiner zahllosen Verfehlungen, wird er von der Chefetage des FC Bayern zum Rapport ins Trophäenzimmer des Vereins bestellt wird, wo die Alphatiere schon grimmig warten, um über ihn zu richten. Eine einschüchternde Situation? Nicht für Super-Mario. Lässig und cool taucht er dort auf, fläzt sich auf einen Stuhl und bringt die Runde mit lockeren Sprüchen gleich zu Beginn gründlich aus dem Konzept. Bei einem Spiel gegen St. Pauli leiht er sich von einem Rollstuhlfahrer einen Pepita-Hut, um damit auf dem Kopf - "...weil ich das noch nie probiert hatte" - einen Eckball zu treten. Was für ein Spaß! In Essen rast er "mit quietschenden Reifen und Kippe im Mund" vom Vereinsgelände, während die neidischen Kollegen noch trainieren müssen. Spiele dirigiert und entscheidet Super-Maroo quasi nebenbei: Mal - nach längerem Hin und Her - "wird es ihm zu bunt", dann marschiert er kurz nach vorn und macht ein schnell ein Tor, mal schiebt er einen Ball "arschcool ins Netz". Gemessen daran hat er allerdings unter dem Strich verdammt wenig gewonnen. Immer wieder kokettiert er damit, dass er kein "Arschkriecher" sei, sich nichts verbieten lasse und genauso lebe, wie er es wolle. Ganz ungeniert (und unprofessionell) kündigt er Schlechtleistungen an, wenn der Verein nicht 100%ig so will wie er. Und als er vor einem Pokalspiel des FC Bayern an einer nächtlichen Kartenrunde teilnimmt und dies in den Medien ein verheerendes Echo findet, beschwert er sich weinerlich, dass sich dafür hinterher kein Schwein interessiert hätte, wenn der FC  Bayern das Spiel gewonnen und er ein paar Tore geschossen hätte. Nur dummerweise hat der FC Bayern das Spiel nicht gewonnen - und Basler auch kein Tor geschossen. Und das mag ja vielleicht auch an der nächtlichen Zockerei gelegen haben. Zu diesem recht naheliegenden Schluss kommt Basler indes nicht.

Falls es mal jemandem aufgefallen ist: Leute, die von sich ständig als "meine Wenigkeit" sprechen, sind regelmäßig über Gebühr von sich eingenommen. Mario Basler ist da keine Ausnahme - obwohl er sich nur allzu gern als Kumpel von nebenan darstellt und verkauft, zeigen Formulierungen wie "Ich mischte mich unters Volk.", wo und wie er sich in Wahrheit sieht. Selbstverständlich ist sein Buch auch arg beschönigend. So berichtet er über die Grüppchenbildung beim 1. FC Kaiserslautern 1999, vom Kampf der Aufsteiger und 1998er Meistermacher gegen die "Neuen", vergisst dabei aber zu erwähnen, dass er - man lese Michael Beckers Buch "Die Simple Minds vom Betzenberg" - selbst auf recht schäbige Weise Politik machte: Ungeniert versuchte er, unter den Spielern neue Klienten für seinen Schwager und Spielerberater Roger Wittmann zu werben und obendrein dafür zu sorgen, dass Spieler, die auf sein Werben nicht eingingen, aus der Startelf verschwanden.

Wer sich Baslers Karriere anschaut, wird feststellen, dass er verdammt oft - nahezu immer - in "kaputten", dysfunktionalen Mannschaften spielte: Werder Bremen, als der Höhepunkt der Rehhagel-Ära Anfang/Mitte der 90er schon überschritten war, der FC Bayern, ehe der große Umbruch unter Hitzfeld abgeschlossen war, der 1. FC Kaiserslautern ein/zwei Jahre nach der sensationellen Meisterschaft 1998 - und natürlich die Nationalmannschaft in der zweiten Hälfte der 90er (der EM-Titel 1996 war meines Erachtens nur zu gewinnen, weil Basler zuvor verletzt abgereist war). Wieder und wieder beschwert sich Basler im Buch, dass Teile der Mannschaften (bei Werder Bremen "etwa zehn Spieler"), bei denen er gespielt habe, gegen ihn gewesen seien, sich an seinem Sonderstatus gestört, ihm Privilegien und Gehalt geneidet hätten etc. Die Wahrheit ist: Basler war nicht einfach immer nur zufällig zur falschen Zeit am falschen Ort - er höchstselbst war es, der Zwist und Niedertracht und Gift in all diese Mannschaften getragen und zu ihrem Niedergang gehörig beigetragen hat. Er ist nicht der sympathische Kumpel von nebenan, der das Herz auf dem rechten Fleck hat und immer sagt, was er denk, sondern ein selbstgefälliger, intriganter Spalter, der keinem Team jemals gut getan hat.

Aber (und an dieser Stelle ist wiederum Alex Raack zu danken): Wer über all die Angebereien und Beschönigungen Baslers hinwegsehen kann, der bekommt eben doch einen recht atmosphärischen Eindruck, wie all jene Teams in der an sich hochspannenden Phase ihres Niedergangs tickten. Und das macht das Buch trotz allem zu einer äußerst spannenden Lektüre. 

Mario Basler & Alex Rack: "Eigentlich bin ich ein super Typ", Edel Books