Dietrich Schulze-Marmeling, ein Veteran des Geschäfts, nimmt nicht ungeschickt die WM 1990 als Aufhänger und eine Art Rahmen. So begeben wir uns noch einmal nach Italien und sind dabei, als Matthäus und Co. mit dem furiosen Auftaktsieg gegen Jugoslawien in das Turnier starten, im Achtelfinale die Holländer niederkämpfen, im Halbfinale gegen England bestehen und schließlich in der Neuauflage des 1986er Endspiels über die längst nicht mehr so mitreißenden Argentinier triumphieren. Ob es nun tatsächlich die WM 1990 war (die ich längst nicht als so schlecht empfunden habe, wie Schulze-Marmeling immer wieder betont), die alles veränderte - oder ob die WM einfach zufällig in eine Zeit fiel, in der durch den sich verändernden TV-Markt und das Bosman-Urteil vieles in Bewegung geriet, sei dahingestellt. Fakt ist: Seither vollzog der Fußball eine rasante Entwicklung, die Schulze-Marmeling klug und lesenswert nachzeichnet. Mitunter mag die Analyse etwas sprunghaft geraten - da sind wir eben noch bei der Saison 1992/93 und wenige Sätze später bei Abramowitschs Chelsea-Einstieg 2003. Das liegt allerdings ein wenig an der Aufteilung nach Ländern, denn weiter hinten kommen wir dann wieder zu den letzten großen Italien-Wechseln aus der Bundesliga Anfang der 90er Jahre und vor allem die anschließende Gegenbewegung mit einer Reihe prominenter Rückkehrer.
"1990 - Eine WM, die alles veränderte" ist kein Genussbuch (aber das soll vermutlich keines der Bücher Schulze-Marmelings sein), kein Buch mit atmosphärischen Einblicken, aber vermutlich die gelungenste Analyse der Entwicklung des Profifußballs in den vergangenen drei Jahrzehnten.
Dietrich Schulze-Marmeling: "1990 - Eine WM, die alles veränderte", Verlag Die Werkstatt