Samstag, 16. November 2024

Ein vielversprechendes Debüt

Der Journalist Carsten Kulawik hat sich mit "Rudi Assauer. Macher der Herzen: Wie die Schalke Legende wirklich war" (Klartext Verlag) an ein ausführliches Porträt des 2019 verstorbenen früheren Schalke-04-Managers gewagt, mit dem ihn weniger eine berufliche (Kulawik ist Jahrgang 1991, Assauer 2006 bei Schalke ausgeschieden) als eine sehr enge private Beziehung verband. Mir hat diese Ausgangskonstellation durchaus Respekt eingeflößt. Denn zum einen existiert mit "Wie ausgewechselt: Verblassende Erinnerungen an mein Leben" bereits seit einigen Jahren eine umfassende und sehr gelungene Autobiographie Assauers (geschrieben mit Patrick Strasser). Zum anderen sind persönliche Verbundenheit und Wertschätzung ja nicht das Gleiche wie Nähe zum Geschehen. Letzteres hat Kulawik indes durch eine Reihe von Interviews kompensiert, die er mit Weggefährten, früheren Mitarbeitern Assauers und anderen Zeitgenossen führte. Deren Erinnerungen in Verbindung mit dem engen persönlichen Bezug des Autors ergeben eine sehr lesenswerte Würdigung des Menschen Rudi Assauer.

Auch wenn im Buch Assauers Kindheit sowie seine Karrierestationen als Spieler und später als Manager skizziert werden, ist es keine Biographie, die den Anspruch auf Vollständigkeit erheben könnte. Dafür bleiben - was vor allem auch mit den verfügbaren beziehungsweise vom Autor gewählten Gesprächspartnern zu tun haben dürfte - etwa die Karrierestationen Bremen und Oldenburg letztlich zu knapp, zu schemenhaft, zu blutarm. Der Schwerpunkt liegt auf der Zeit Assauers - besser: den Zeiten - bei Schalke 04, aber auch hier pickt sich das Buch einzelne Momente, einzelne Beobachtungen und Alltagssituationen heraus. Und genau dort, wo uns der Autor tief ins Innere mitnimmt und zum Beispiel die allmählich erodierende Beziehung zwischen Trainer Jörg Berger und der Mannschaft und das Lavieren Assauers hierbei beschreibt, wird es hochspannend. Gleiches gilt, wenn der Leser anhand vieler kleiner Beispiele erfährt, wie Assauer mit anderen sprach, stritt, verhandelte, gerade auch mit Kollegen wie Reiner Calmund oder Michael Meier. Und zwischendrin kommen dann auch immer wieder interessante hochpersönliche Momente wie Assauers Besuch in Kulawiks Elternhaus. Was macht man, wenn die geschätzte und verehrte Schalke-Ikone im heiligen Wohnzimmer der Eltern, in dem an sich strenges Rauchverbot herrscht, plötzlich ungeniert (und letztlich rücksichtslos) seine Zigarre hervorholt?

"Macher der Herzen" ist für mich nicht unbedingt ein Stand-alone-Buch, weil es sich der Person Assauer unter einem sehr speziellen Blickwinkel nähert und eben - siehe oben - in biografischer Hinsicht etliche Lücken bleiben. Aber es ist eine sehr schöne, warmherzige Ergänzung zu "Verblassende Erinnerungen" und als solche zweifellos Pflichtlektüre jedenfalls für echte Schalker. Mehr noch als das Buch selbst hat mir indes gefallen, wie Kulawik dieses Vorhaben angegangen ist und es umgesetzt hat, wie er Gesprächspartner aufgetrieben und befragt und ihre Erinnerungen in seinem Buch zusammengeführt hat. Das macht in jedem Fall Lust auf mehr. Ich wünschte, er würde sich weiteren derartigen Projekten widmen, denen dann zwar der persönlich-private Einschlag fehlen mag, die aber dennoch auch anderen Größen des Geschäfts würdige Denkmäler setzen würden. Kandidaten hierfür gibt es allein im Ruhrgebiet ja wahrlich genug.

Carsten Kulawik: "Rudi Assauer. Macher der Herzen: Wie die Schalke Legende wirklich war", Klartext Verlag