Dienstag, 8. Juli 2025

Leider zu steril: Ein Blick auf den Fußball in Frankreich

(KM) Der französische Fußball fasziniert mich schon deshalb, weil er seit jeher ein Sehnsuchtsort deutscher Legionäre war. Nicht nur Bundesliga-Stars der ersten Garde wie Karlheinz Förster (Olympique Marseille), Klaus Allofs (ebenfalls Olympique Marseille, später Girondins Bordeaux), Pierre Littbarski (Racing Paris), Rudi Völler (Olympique Marseille) oder Jürgen Klinsmann (AS Monaco) zog es in die seinerzeitige Division 1 und heutige Ligue 1. Auch für die zweite, dritte und sogar vierte Reihe des deutschen Fußballs fanden sich im Nachbarland zahlungswillige Klubs. Ich denke da an Dieter Müller (Girondins Bordeaux), Thomas Allofs (Racing Straßburg), Norbert Nachtweih (AS Cannes), Wolfgang Rolff (Racing Straßburg), Uwe Reinders (Girondins Bordeaux und Stade Rennes) oder Roland Wohlfarth (AS Saint-Etienne), aber eben auch an Kicker wie Walter Kelsch (Racing Straßburg), Thomas Remark (Olympique Lyon) und Peter Reichert (FC Toulouse). Und die Konditionen im Nachbarland? Als Manfred Kaltz 1989 im (sehr späten) Spätherbst seiner Karriere zu Girondins Bordeaux wechselte, berichtet die Sport-Bild, dass er dort ein Jahresgehalt von umgerechnet 500.000 DM netto erhalte. Netto! 1989 war das eine sensationell hohe Summe, zumal für einen 36jährigen. So ganz habe ich das der Sport-Bild damals zwar nicht abgenommen, aber ich wollte es gern glauben - und habe mich für Manfred Kaltz riesig gefreut. Ich sah ihn, den großen alten Schweiger des HSV, mit einem Glas Rotwein entspannt am Atlantik sitzen, seine letzten Fußballtage in der deutlich ruhigeren Division 1 genießen und Monat für Monat einen überaus gesunden Scheck über rund 40.000 DM kassieren. Zugegeben, so ganz ging das nicht auf, weder für das HSV-Urgestein noch für etliche andere Frankreich-Legionäre. Kaltz fand sich, als bei Girondins ein neuer Trainer mit anderen Vorstellungen kam, schon bald beim FC Mulhouse im Elsaß wieder, mit dem er 1990 abstieg, Thomas Allofs' Abenteuer bei Racing Straßbourg währte wegen eines Streits um die Ablösesumme nur wenige Monate, und Pierre Littbarski war während seines kurzen Paris-Gastspiels nach eigenem Bekunden zumeist todunglücklich. Selbst der große Franz Beckenbauer, dem sonst alles gelang, verließ Marseille 1991 nach nur zwölf Monaten Amtszeit als Trainer beziehungsweise Sportdirektor ohne den erhofften Europapokalsieg und vergleichsweise desillusioniert.

Dennoch übt das Fußballland Frankreich bis heute einen enormen Reiz auf deutsche Kicker und Trainer aus. Und deshalb freute ich mich auf das Buch "Va-Va-Voom: The Modern History of French Football" von Tom Williams, das letztes Jahr bei Bloomsbury Sport erschienen ist. Sicher, einen Grund, den deutschen Legionären besondere Beachtung zu schenken, hatte der Londoner Journalist bei seiner Länderschau nicht. Aber der französische Fußball bietet ja auch so genug Berichtenswertes: Da war die große Zeit von Olympique Marseille mit seinem ebenso schillernden wie maßlosen Eigentümer Bernard Tapie, da war die Ära von Girondins Bordeaux mit seinem charismatischen und dominanten Präsidenten Claude Bez und da war zum Beispiel der FC Sochaux, der Peugeot-Werksklub aus einem 3.500-Seelen-Dorf, der sich erstaunlich lange in der ersten Liga hielt, dort kleinere Erfolge feierte und mit Stephane Paille eines der größten Stürmertalente der 80er Jahre hervorbrachte, an dem einst sogar der FC Bayern interessiert war.

Williams macht es so, wie ich es auch gemacht hätte - er hechelt die Entwicklung des französischen Fußballs seit den dreißiger Jahren nicht chronologisch durch, sondern widmet sich schlaglichtartig einzelnen Standorten: Bordeaux, Marseille, Nantes, Auxerre Lyon, Paris Saint-Germain und so weiter. Und natürlich geht es da um Tapie, um Bez, um die fast 40 Jahre währende Trainer-Regentschaft von Guy Roux bei AJ Auxerre und zwischendurch auch immer wieder um die großen Siege und Niederlagen der französischen Nationalelf. Das ist alles recht interessant, das liest sich auch ganz gut, aber dennoch bleibt das Buch seltsam steril und blutarm. Zu selten werden Bilder in meinem Kopf erzeugt, zu selten so etwas wie Atmosphäre vermittelt, zumeist bleibt es dann doch eine routinierte, nüchterne Schilderung von Geschehensabläufen. Schade! Da war mehr drin!

Tom Williams: "Va-Va-Voom: The Modern History of French Football", Bloomsbury Sport