Die ehemalige Torhüterin des FC Bayern München, Kathrin Längert, hat - nach eigenem Bekunden mit "mit viel Wut im Bauch" - ein Buch über Frauen im Profifußball geschrieben: "Wir verdienen mehr!" (Verlag Die Werkstatt). Es ist eine emotionale Streitschrift. Nach der Lektüre hatte wiederum ich ordentlich Wut im Bauch und dachte: "Na gut - Streit kannst Du haben!" Schon lange hatte mich kein Buch mehr derart aufgebracht. Das letzte war - Achtung, nichts aus dem Fußball - "Komm doch mal" von Joy Delima. Die niederländische Schauspielerin berichtet darin über ihr reichlich verkorkstes (Sex-)Leben, an dem selbstredend immer nur die anderen, vorzugsweise die Männer, schuld sind, Bereitschaft, für das eigene Leben Verantwortung zu übernehmen? Fehlanzeige. Vermutlich habe ich hier Parallelen gesehen - und wahrscheinlich liegen hier auch die Gründe für meinen Ärger. Ein befreundeter Journalist hatte mir Längerts Buch mit den Worten "Es geht nur ums Fett!" gegeben. Das stimmt - und vor allem eine Tatsache zieht sich wie ein roter Faden durch Kathrin Längerts Streitschrift: Sie möchte - ohne eigenes wirtschaftliches Risiko - fremdes Geld ausgeben. Geld, das zuvor andere verdienen mussten.
Der Frauenfußball kann cool und wunderbar sein, wenn und soweit er - das erkennt auch Längert an - die Fehlentwicklungen des Männerfußballs vermeidet. Er ist nahhbar, er ist zugänglich, er ist gewaltfrei und familienfreundlich, er ist erschwinglich und oft genug macht es einfach nur Freude, ihn zu erleben. Peinlich und unangenehm wird es meist dann, wenn Frauen im Fußball versuchen, ihre männlichen Pendants zu kopieren. Zu den nervigeren Parts des Männerfußballs gehört beispielsweise der Jubel nach einem Tor: Einstudierter Torjubel, Signature-Torjubel, Torjubel, den man hinterher erst mal allen erklären muss. Und was musste ich bei der Frauen-WM 2023 in Australien lesen: "Alexandra Popp erklärt ihren Torjubel". So etwas lege ich gleich zum Altpapier.
Aber zurück zum Buch: Natürlich hat Kathrin Längert mit vielem recht. Frauen haben - gerade in der Anfangszeit des Sports - so einiges an Benachteiligungen und Demütigungen und purem Sexismus erfahren und erleiden müssen. Witze über die Freuden des Trikottauschs bei Frauen tauchten seinerzeit ohne jegliches schlechtes Gewissen in den Sportzeitungen auf, und über das berühmte Kaffeeservice des DFB wollen wir an dieser Stelle gar nicht reden. Aber der Frauenfußball ist inzwischen auf einem wirklich vielversprechenden Weg. Es gibt extrem spannende Projekte wie das des FC Viktoria Berlin. In immer mehr Ländern entstehende starke Frauen-Ligen. Immer mehr hochkarätige Investoren stecken ihr Geld ganz gezielt in den Frauenfußball. In Kanada ist seit einigen Monaten eine Frauen-Profi-Liga (Northern Super League) am Start, die den Spielerinnen ein höheres Grundgehalt garantiert als ihr Pendant den Männern (Canadian Premier League). In Deutschland gibt es ein Magazin nur für den Frauenfußball. Das alles sind Entwicklungen, die jedenfalls bei mir pure Freude auslösen. Aber über all diese zart und vielversprechend sprießenden Pflanzen fährt Kathrin Längert mit einer Dampfwalze und tritt gefühlt in jedes Fettnäpfchen der Frauen-und-Fußball-Diskussion, das auf dem Weg herumsteht.
Aber zurück zum Buch: Natürlich hat Kathrin Längert mit vielem recht. Frauen haben - gerade in der Anfangszeit des Sports - so einiges an Benachteiligungen und Demütigungen und purem Sexismus erfahren und erleiden müssen. Witze über die Freuden des Trikottauschs bei Frauen tauchten seinerzeit ohne jegliches schlechtes Gewissen in den Sportzeitungen auf, und über das berühmte Kaffeeservice des DFB wollen wir an dieser Stelle gar nicht reden. Aber der Frauenfußball ist inzwischen auf einem wirklich vielversprechenden Weg. Es gibt extrem spannende Projekte wie das des FC Viktoria Berlin. In immer mehr Ländern entstehende starke Frauen-Ligen. Immer mehr hochkarätige Investoren stecken ihr Geld ganz gezielt in den Frauenfußball. In Kanada ist seit einigen Monaten eine Frauen-Profi-Liga (Northern Super League) am Start, die den Spielerinnen ein höheres Grundgehalt garantiert als ihr Pendant den Männern (Canadian Premier League). In Deutschland gibt es ein Magazin nur für den Frauenfußball. Das alles sind Entwicklungen, die jedenfalls bei mir pure Freude auslösen. Aber über all diese zart und vielversprechend sprießenden Pflanzen fährt Kathrin Längert mit einer Dampfwalze und tritt gefühlt in jedes Fettnäpfchen der Frauen-und-Fußball-Diskussion, das auf dem Weg herumsteht.
Schauen wir es uns mal an:
1. Der "ekelhafte sexuelle Übergriff"
Ich habe vor Lektüre des Buches eine Wette mit mir selbst abgeschlossen - und gewonnen: Ja, natürlich thematisiert Kathrin Längert das Verhalten des spanischen Fußballfunktionärs Luis Rubiales, der bei der WM 2023 während der Siegerehrung die Spielerin Jennifer Hermoso auf den Mund küsste. Und natürlich ist es auch nach Sichtweise von Frau Längert ein "sexueller Übergriff" und ein "ekelhaftes Verhalten". Es fehlte eigentlich nur noch der in der damaligen Diskussion gängige Hinweis, dass Rubiales dafür "ins Gefängnis" gehöre. Mal eine Einordnung aus Juristensicht: Als Ersttäter kann ich in Deutschland jemanden ziemlich brutal zusammenschlagen, durchaus auch mit bleibenden Schäden, ohne deshalb ins Gefängnis zu müssen. Aber für einen Kuss schon? Zumal das, was Rubiales (im Überschwang des Siegesjubels nach einem WM-Finale!) getan hat, im Sport - jedenfalls unter Beteiligten gleichen Geschlechts - seit Jahrzehnten zum normalen, gängigen und vollumfänglich akzeptierten Verhalten gehört.
1. Der "ekelhafte sexuelle Übergriff"
Ich habe vor Lektüre des Buches eine Wette mit mir selbst abgeschlossen - und gewonnen: Ja, natürlich thematisiert Kathrin Längert das Verhalten des spanischen Fußballfunktionärs Luis Rubiales, der bei der WM 2023 während der Siegerehrung die Spielerin Jennifer Hermoso auf den Mund küsste. Und natürlich ist es auch nach Sichtweise von Frau Längert ein "sexueller Übergriff" und ein "ekelhaftes Verhalten". Es fehlte eigentlich nur noch der in der damaligen Diskussion gängige Hinweis, dass Rubiales dafür "ins Gefängnis" gehöre. Mal eine Einordnung aus Juristensicht: Als Ersttäter kann ich in Deutschland jemanden ziemlich brutal zusammenschlagen, durchaus auch mit bleibenden Schäden, ohne deshalb ins Gefängnis zu müssen. Aber für einen Kuss schon? Zumal das, was Rubiales (im Überschwang des Siegesjubels nach einem WM-Finale!) getan hat, im Sport - jedenfalls unter Beteiligten gleichen Geschlechts - seit Jahrzehnten zum normalen, gängigen und vollumfänglich akzeptierten Verhalten gehört.
Jeder kann bei YouTube Clips anschauen, in denen sich Volleyballspielerinnen gelegentlich einer Auswechslung so ausgiebig den Po tätscheln, dass der Film in den USA vermutlich eine Altersfreigabe bräuchte. Man sieht, wie sich jubelnde Fußballer (natürlich ungefragt!) auf Stirn, Wange oder Mund küssen oder der Trainer einem Kicker einen aufmunternden Klaps auf den Allerwertesten
gibt. Niemand fand das bisher beanstandenswert - und die Frage, was
davon eben nicht mehr geht, wenn sich plötzlich unterschiedliche Geschlechter, also ein Funktionär und eine
Spielerin (oder umgekehrt) gegenüberstehen, ist ja wirklich spannend. Aber bitte eine Diskussion ohne Hysterie und ohne Scheinheiligkeit. Denn offenbar gelten die strengen Anforderungen nicht immer und für jeden. DFB-Trainer Christian Wück hat bei der EM 2025 auch Torhüterin Ann-Katrin Berger nach dem gewonnenen Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Frankreich innigst umarmt. Ich bezweifele, dass er vorher erst noch gefragt hat, ob sie damit einverstanden ist. Vorwürfe, dass es sich hier um einen ungebührlichen sexuellen Übergriff handelt, waren hinterher nicht zu vernehmen.
2. Der Fußball als Existenzgrundlage
Kathrin Längert beklagt mit bitteren Worten, dass sie als Spielerin nicht in der Lage war, von ihrem Job als Fußballerin zu leben. Sie verlange "eine Entlohnung, die es [den Spielerinnen] erlaubt, ihrem Sport professionell nachzugehen, ohne von Existenzängsten geplagt zu sein, und die es ihnen ermöglicht, geringe Summen für eine Altersvorsorge und/oder eine berufliche Qualifizierung nach der Fußballkarriere beiseitezulegen." Schließlich sei ihr genau das in "einer kapitalistischen Gesellschaft versprochen" worden: "Dass nämlich harte Arbeit und beruflicher Erfolg unweigerlich zu persönlichem Wohlstand und gesellschaftlicher Anerkennung führen."
Der Wunsch ist verständlich, aber töricht, die Begründung purer Unsinn. Natürlich wünscht und gönnt man es jedem Menschen, dass er seinen Lebensunterhalt mit seiner größten Leidenschaft verdienen kann. Was gibt es Schöneres? Aber das setzt eben voraus, dass diese Leidenschaft geeignet ist, entsprechende Einnahmen zu generieren. Jeder Verfasser romantischer Gedichte kennt das Problem. Auch die fünffache Weltmeisterin in Rythmischer Sportgymnastik oder der Europameister im Kugelstoßen würden gern von ihrem Sport leben. Aber sie tun und können es nicht, weil es - man darf es bedauern - nicht genügend Menschen gibt, die sich für diesen Sport interessieren. Und die Formel "Harte Arbeit = Wohlstand" ist nun wirklich rührend. Kathrin Längert sollte mal die Krankenschwester oder den Altenpfleger ihres Vertrauens fragen, wie es um deren Wohlstand bestellt ist. Mir würden noch etliche weitere Berufsgruppen einfallen, die hier weit vor den Fußballerinnen zum Zuge kommen müssten.
3. Höhere Gehälter für Frauen
Zunächst nähert sich Kathrin Längert dem Thema einigermaßen vorsichtig. Ja, sie spreche zwar von "equal pay", aber damit sei ja keineswegs gemeint, dass Frauen "dieselben schwindelerregenden Beträge [...] bekommen wie die Männer." Vielmehr solle es nur um eine angemessene Entlohnung gehen. Weiter hinten im Buch klingt das schon etwas offensiver: "Wir wollen unseren gerechtfertigten Platz am Tisch und unseren Teil des Kuchens. Warum sollten wir zehn oder 20 Prozent akzeptieren, wenn 50 Prozent gerecht sind?" Das Dumme ist nur: Es geht nicht um "ihren" Teil des Kuchens, sondern um den Kuchen anderer, um das Geld, das andere zuvor schwer verdienen mussten.
2. Der Fußball als Existenzgrundlage
Kathrin Längert beklagt mit bitteren Worten, dass sie als Spielerin nicht in der Lage war, von ihrem Job als Fußballerin zu leben. Sie verlange "eine Entlohnung, die es [den Spielerinnen] erlaubt, ihrem Sport professionell nachzugehen, ohne von Existenzängsten geplagt zu sein, und die es ihnen ermöglicht, geringe Summen für eine Altersvorsorge und/oder eine berufliche Qualifizierung nach der Fußballkarriere beiseitezulegen." Schließlich sei ihr genau das in "einer kapitalistischen Gesellschaft versprochen" worden: "Dass nämlich harte Arbeit und beruflicher Erfolg unweigerlich zu persönlichem Wohlstand und gesellschaftlicher Anerkennung führen."
Der Wunsch ist verständlich, aber töricht, die Begründung purer Unsinn. Natürlich wünscht und gönnt man es jedem Menschen, dass er seinen Lebensunterhalt mit seiner größten Leidenschaft verdienen kann. Was gibt es Schöneres? Aber das setzt eben voraus, dass diese Leidenschaft geeignet ist, entsprechende Einnahmen zu generieren. Jeder Verfasser romantischer Gedichte kennt das Problem. Auch die fünffache Weltmeisterin in Rythmischer Sportgymnastik oder der Europameister im Kugelstoßen würden gern von ihrem Sport leben. Aber sie tun und können es nicht, weil es - man darf es bedauern - nicht genügend Menschen gibt, die sich für diesen Sport interessieren. Und die Formel "Harte Arbeit = Wohlstand" ist nun wirklich rührend. Kathrin Längert sollte mal die Krankenschwester oder den Altenpfleger ihres Vertrauens fragen, wie es um deren Wohlstand bestellt ist. Mir würden noch etliche weitere Berufsgruppen einfallen, die hier weit vor den Fußballerinnen zum Zuge kommen müssten.
3. Höhere Gehälter für Frauen
Zunächst nähert sich Kathrin Längert dem Thema einigermaßen vorsichtig. Ja, sie spreche zwar von "equal pay", aber damit sei ja keineswegs gemeint, dass Frauen "dieselben schwindelerregenden Beträge [...] bekommen wie die Männer." Vielmehr solle es nur um eine angemessene Entlohnung gehen. Weiter hinten im Buch klingt das schon etwas offensiver: "Wir wollen unseren gerechtfertigten Platz am Tisch und unseren Teil des Kuchens. Warum sollten wir zehn oder 20 Prozent akzeptieren, wenn 50 Prozent gerecht sind?" Das Dumme ist nur: Es geht nicht um "ihren" Teil des Kuchens, sondern um den Kuchen anderer, um das Geld, das andere zuvor schwer verdienen mussten.
Zur Einordnung: Die Männermannschaft des VfL Bochum hatte in der Saison 2024/25 rund 430.000 Zuschauer. Die Frauen-Bundesliga hatte im gleichen Jahr 355.000. Ein einziger Männerklub - und obendrein die "graue Maus" aus dem Ruhrgebiet - lockt also mehr Fans an als die gesamte Frauenliga! Der Umsatz der Männer-Bundesliga lag 2022/23 bei 3,80 Milliarden Euro. Der der Frauen bei 25 Millionen. Das sind weniger als 0,7 Prozent! Wie jedes Geschäft kann auch der Frauenfußball nur das Geld ausgeben, das zuvor verdient wurde. In den USA sind zwei Frauenprofi-Ligen - die Women's United Soccer Association (WUSA) und die Women's Professional Soccer (WPS) - an genau dieser Herausforderung gescheitert und in die Insolvenz gerutscht. Deren Spielerinnen standen anschließend auf der Straße. Das weiß natürlich auch Kathrin Längert. Und kommt zu dem Schluss, dass Frauen doch am besten mit dem Geld bezahlt werden sollten, das durch andere verdient wurde. Ohne lästige Gedanken, ob sich etwas rechnet, ohne eigenes Risiko. Klingt zunächst hier und da noch Bitterkeit an, weil Fernsehsender nicht gegen jede wirtschaftliche Vernunft für Frauenspiele Summen zahlen wollen, die sie nie durch Webung refinanzieren können, lässt Längert schließlich die Katze aus dem Sack: Die Männer sollen doch die höheren Gehälter der Frauen finanzieren, "auf Privilegien verzichten", wie es bei ihr heißt: "Brauchen die Männer wirklich 400.000 Euro Prämie für einen Europameistertitel?" Brauchen sie vermutlich nicht. Aber wenn sie etwas davon abgeben sollen, wieso nicht erst einmal an die Krankenschwester und den Altenpfleger (siehe oben)?
Nein, die Frauenfußballerinnen verdienen, was sie verdienen - und keinen Cent mehr! Soll heißen: Das Geld muss erstmal durch sie selbst eingespielt werden - durch Ticketverkäufe, Sponsoring, Fernseheinnahmen, Trikots. Und wie es dann verteilt wird, wieviel in die Infrastruktur, in den Nachwuchs und in die Gehälter geht, das ist normaler Streit wie bei den Männern, der ausgefochten werden muss. Und wenn, das ist ja bei der derzeitigen Entwicklung nicht ausgeschlossen, irgendwann einmal die Einnahmen und Gehälter der Frauen jene der Männer weit übersteigen, dann wäre das wunderbar - und niemand käme auf die Idee, ihnen vorzuschlagen, dass sie den Männern etwas abgeben müssten.
So, meine Wut ist erstmal raus. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Kathrin Längert eigentlich einen ganz guten Job gemacht hat. Denn ein Buch, das wütend macht und an dem man sich reibt, das Reaktionen provoziert und zu Diskussionen einlädt, ist nicht das schlechteste. Insofern habe ich mich über "Wir verdienen mehr!" trotz meines Ärgers sehr gefreut und empfehle es gern weiter.
Kathrin Längert: "Wir verdienen mehr!", Werkstatt Verlag
So, meine Wut ist erstmal raus. Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass Kathrin Längert eigentlich einen ganz guten Job gemacht hat. Denn ein Buch, das wütend macht und an dem man sich reibt, das Reaktionen provoziert und zu Diskussionen einlädt, ist nicht das schlechteste. Insofern habe ich mich über "Wir verdienen mehr!" trotz meines Ärgers sehr gefreut und empfehle es gern weiter.
Kathrin Längert: "Wir verdienen mehr!", Werkstatt Verlag