Vor kurzem sprach ich mit einem der profiliertesten und bekanntesten Autoren im Fußballbücher-Geschäft am Beispiel Wolfram Wuttke über die Schwierigkeit, eine Biographie zu schreiben, für die das Sujet - aus welchen Gründen auch immer - nicht zur Verfügung steht. Die sinngemäße Einschätzung des Autors: Nicht unmöglich, aber schwer.
Mich interessiert das Thema deshalb in besonderer Weise, weil ein Großteil gerade der Trainer aus den mich vornehmlich interessierenden 80er/90er Jahren leider Gottes in die Jahre gekommen ist: Etliche derjenigen, die schon damals auf der Zielgeraden ihrer Karriere waren, sind verstorben - Dietrich Weise etwa oder Jürgen Sundermann oder Friedel Rausch, auch einige der ganz Großen jener Zeit wie Udo Lattek oder Branko Zebec. Otto Rehhagel steht dem Vernehmen nach für eine Biographie nicht zur Verfügung, was überaus schade ist, weil jemand, der mit Werder Bremen und dem Aufsteiger 1. FC Kaiserlautern Deutscher Meister wurde und obendrein auch noch mit Griechenland Europameister, vielleicht der beste Trainer war, den die Liga jemals hatte. Er hätte eine angemessene biographische Würdigung mehr als verdient - und Norbert Kuntzes Büchlein aus dem Jahr 1999 erfüllt diese Ansprüche leider nicht. Aber zurück zum Thema: Die einen sind, wie gesagt, tot, andere wie Feldkamp, Ribbeck, Krautzun, Schäfer, Köppel oder Ristic längst in Rente, aber sie alle haben eins gemeinsam: Ich würde es sehr gern sehen, dass ihr Leben und ihre Karriere - nach dem Motto "Geschriebenes aber bleibt" - in einem jeweils individuellen Buch verewigt werden. So wie bei Christoph Daum, Jogi Löw, Ewald Lienen oder auch Peter Neururer.
Der Verlag edition steffan aus Köln hat sich - unter etwas anderen Vorzeichen - an das ehrgeizige Unterfangen gemacht, dem Kölner Helden Jonas Hector eine solche Verewigung zuteil werden zu lassen, obgleich auch dieser hieran nicht mitwirken wollte. Dass der Name Hector außerhalb Kölns einen weitaus geringeren Bekanntheitsgrad genießt, ist an der Stelle nicht wichtig. Für den 1. FC und seine Fans steht er, wie in einem eigens hierfür reservierten Kapitel von "Jonas Hector. Seine große Karriere in Wort und Bild" schön herausgearbeitet wird, in einer Reihe mit Legenden wie Overath, Flohe, Schumacher und Littbarski bzw. je nach Blickwinkel sogar über diesen, weil er nie in einer wirklich großen Kölner Mannschaft gespielt, dafür aber eine Epoche geprägt hat, in der es dem Klub alles in allem eher mittelprächtig ging. Autor Ralf Friedrichs - lediglich das oben genannte Kapitel wurde von Verleger Frank Steffan beigesteuert - lässt Hectors nationale Karriere in der 1. und 2. LIga sowie seine internationalen Einsätze (dummerweise kam er erst knapp nach Gewinn des WM-Titels 2014 ins Nationalteam und damit in eine Mannschaft, die ihre Zenit überschritten hatte) weitgehend chronologisch Revue passieren und garniert das Ganze mit sorgfältig ausgewählten und vielfach eher unbekannten Fotos.
Auch wenn hier und da Zeitzeugen zu Wort kommen, ist es zwangsläufig eine Biographie im "Kicker"-Stil, die vornehmlich von Spiel zu Spiel schreitet und der die Innensicht fehlt. Aber darüber zu klagen ist überflüssig, denn diese Innensicht gab es nunmal nicht - und wenn es im Buch an einer Stelle heißt, dass Hector sich weigere, "das übliche Medientheater mitzuspielen", kann man sich denken, wieso. Eigentlich schade, weil er sich so um etwas bringt, was er seinen Kindern später mal hätte zeigen können. So oder so - Friedrichs hat getan, was möglich war, um eine bleibende Erinnerung an einen der wichtigsten Kölner Fußballer der jüngeren Vergangenheit zu schaffen, und das werden ihm insbesondere die Kölner Fans - aber nicht nur die - danken.
Ralf Friedrichs: "Jonas Hector. Seine große Karriere in Wort und Bild", Verlag edition steffan