
Wir haben es
an anderer Stelle schon
wiederholt besprochen: Was Fußballzeitschriften angeht, haben wir es in Deutschland gar nicht so schlecht. Mit dem
"kicker", der
"Sport-Bild",
"11Freunde" und dem Frauenfußballmagazin
"FFußball" gibt es gefühlt für jeden Geschmack etwas. Und doch denke ich sehr oft und mit viel Wehmut an ein Heft, das in der Spätphase der Fußballromantik ab Mitte der 1980er Jahre seine Blütezeit erlebte und mehr oder weniger mit dem Bosman-Urteil vor knapp 30 Jahren wieder vom Markt verschwand. Die Rede ist vom legendären
"Fußball-Magazin" (Eigenschreibweise: "fußball-magazin") aus dem Hause "kicker". In Ergänzung seines seriösen, manchmal als etwas trocken wahrgenommenen und auf das wochenaktuelle Geschehen fokussierten Flaggschiffs, seinerzeit noch mit schwarz-weißem Innenteil, brachte der Nürnberger Olympia-Verlag ab 1977 ein knallbuntes Magazin mit markigen Schlagzeilen ("Den Jüngsten beißen die Hunde") auf den Markt. Das "fuma" sollte die Menschen zeigen, die sich hinter der Fassade prominenter Fußballer und Trainer verbargen. Bundesligastars öffneten ihre Häuser und Wohnungen für Homestories, stellten ihre Autos vor, beantworteten im Rahmen der Aktion "Fragen Sie Ihren Star!" Leserfragen oder gaben ausführliche Interviews, die - ganz im Geist der damaligen Zeit - wesentlich offener und unverblümter ausfielen, als es heute auch nur ansatzweise denkbar wäre. Charakteristisch für das "fuma" war dabei stets ein wohlwollender, positiver Blick auf die Bundesliga und ihre Protagonisten - nie wurde ein Spieler bloßgestellt, nie sein Unglück ausgeschlachtet, nie ein privater Fehltritt zum Skandal aufgeblasen. Im Gegenteil, Akteure, die durch Verletzungen oder Formkrisen gebeutelt waren oder die das Leben anderweitig herumgeschubst hatte, erhielten im "fuma" die Gelegenheit, über ihr Seelenleben zu sprechen und sich für einen Neuanfang in Stellung zu bringen. Allerdings war das Magazin bei allem Wohlwollen keineswegs zahnlos oder blauäugig. Das miese Geschäft mit Bauherrenmodellen oder kommerzielle Fehlentwicklungen im Fußball wurden angeprangert und Vereine, Spieler und Trainer durchaus auch kritisiert, aber eben nie von oben herab, nie ehrverletzend. Die Macher hatten auch keine Scheu, vermeintlich heiße Eisen anzufassen. So gab es im Dezember 1987 beispielsweise eine Titelstory über
Toni Schumacher und
Uli Stein ("Torhüter, die in ihr Verderben stürzten"),
Norbert Nachtweih wurde im März 1989 unter der Schlagzeile "So erlosch meine Liebe zu den Bayern" porträtiert und
Andreas Brehme verkündete im August 1990: "Heute lache ich
Hoeneß aus".
Zu den besonderen Highlights eines jeden Hefts gehörten für mich stets die auf fast schon rührende Weise bemühten Fotos und Überschriften. So saß
Souleymane Sane (der Vater von
Leroy und der weitaus interessantere der Sanes) im Dezember-Heft 1987 vor einem riesigen Stück Torte mit Sahne - und unter der Überschrift: "...aber bitte mit Sa(h)ne". Ex-Bayer und Neu-Hamburger
Armin Eck wurde im September 1989 als "Ein Eck ohne Ecken" vorgestellt,
"Kobra" Wegmann warnte im gleichen Heft "Hütet Euch vor meinem Biß!" und ein Bericht über einen eskalierten Streit zwischen
Thomas von Heesen und seinem Berater
Holger Klemme erhielt die Schlagzeile "Als Thommy in der Klemme steckte". Gerade die Homestories des "fuma" machen in der Rückschau auch eines sehr schön deutlich: Die Kicker in den 1980er Jahren waren ungeachtet der schon damals verbreiteten Kritik an ihren vermeintlich zu hohen Gehältern von der heutigen Entrücktheit etlicher Profis, von Goldsteaks und Wochenendtrips zur Pariser Fashion Week so weit entfernt wie vom Mond. Beispiel gefällig?

In der Märzausgabe 1991 erschien im "fuma" ein Artikel über den Düsseldorfer Libero
Ralf Loose mit mehreren Fotos aus dem privaten Bereich des Kickers. Bei der Aufnahme links (Bildzitat/
© 1991 fuma/Wende) lautete die Beschreibung: "Frühstücke wie ein König!". Nun schauen wir uns das Foto mal etwas genauer an: Loose und seine Frau sitzen in offensichtlich beengten Verhältnissen an einem kleinen Ikea-Tisch. Darauf sieht man zwei Platzdeckchen, zwei Frühstücksteller und zwei Kaffeetassen, augenscheinlich leer. Außerdem eine angefangene Packung Brot in Plastikfolie aus dem Supermarkt sowie je ein Glas Marmelade und Honig, beides ebenfalls Massenprodukte vom Discounter. Oh ja, eine wahrhaft königliche Mahlzeit...
Ein weiteres Markenzeichen des Heftes - und das habe ich ganz ohne Augenzwinkern geliebt - waren die Legionärsreportagen. Das "fuma" besuchte frühere Bundesligastars, die es ins Ausland gezogen hatte, und zeigte, wie die Kicker in ihrer neuen Heimat lebten und arbeiteten.
Gerd Müller in Fort Lauderdale,
Hansi Müller in Innsbruck,
Harald Kohr in Zürich,
Dieter Schatzschneider in Graz,
Toni Schumacher in Istanbul,
Dieter Müller in Bordeaux und so weiter und so fort. Das fand man damals in dieser Form in keiner anderen Zeitschrift.
Leider gab es offensichtlich nicht genug Leser (und vor allem nicht genug Anzeigenkäufer - siehe dazu das Interview mit Harald Kaiser unten), die das "fuma" in gleicher Weise verehrten wie ich. Im Frühjahr 1991 wurde die monatliche Erscheinungsweise beendet. Künftig kam das Heft nur noch zweimal pro Jahr, wobei ein roter Faden und ein klares Konzept jedenfalls für mich nicht mehr so recht erkennbar waren. Bis 1996 dümpelte das "fuma" dann mit irgendwie halbherzigen Hin- beziehungsweise Rückrundenbilanzen vor sich hin, ehe es gänzlich aus den Regalen verschwand. Heute kann man mit etwas Glück ältere Ausgaben des Magazins bei Ebay, Kleinanzeigen oder auf einer anderen Plattform für einen fairen Preis bekommen. Um es sich anschließend mit einer Tasse Kakao auf dem Sofa bequem zu machen und in die Zeit der Fußballromantik einzutauchen.
Die passende Einstimmung darauf gibt es hier:
"Wenn wir die 100.000 überschritten haben,
haben wir gefeiert!"
Interview mit dem langjährigen "fuma"-Redakteur Harald Kaiser
Harald Kaiser war ab 1980 knapp vierzig Jahre als Redakteur für den "kicker" tätig – mit einem mehrjährigen Abstecher zum "fußball-magazin". Heute arbeitet er als Autor und freier Schriftsteller und hat unter anderem die 2023 im Verlag Die Werkstatt erschienene Felix-Magath-Biographie "Gegensätzliches" sowie zuletzt ein Buch über die ewige Rivalität zwischen dem 1. FC Nürnberg und Greuther Fürth ("Das fränkische Lokalderby", ars vivendi Verlag) verfasst. Das Fußballbücher-Magazin sprach mit ihm über seine Zeit beim "fuma".
Herr Kaiser, Sie haben die Hochphase des "fußball-magazin" in der zweiten Hälfte der 80er Jahre in verantwortlicher Position miterlebt und mitgestaltet. Wie war die Arbeit organisiert?
Solange das "fußball-magazin" in einem zweimonatlichen Turnus erschien, war Wolfgang Rothenburger der alleinige Redakteur des Heftes. Die Beiträge stammten von ihm, von "kicker"-Redakteuren oder freien Mitarbeitern. Nach der Umstellung auf eine monatliche Arbeitsweise war der Arbeitsaufwand von einem Redakteur allein nicht mehr zu bewältigen. Der Verlag stellte Wolfgang Rothenburger – nacheinander – zunächst zwei externe Kollegen zur Seite, mit denen er sich aber nicht so gut verstand. Schließlich wurde ich gefragt, ob ich die Aufgabe übernehmen möchte.
Mussten Sie lange über das Angebot nachdenken?
Ja, es war durchaus eine schwere Entscheidung für mich. Als Redakteur hatte ich beim "kicker" seinerzeit den FC Bayern München betreut. Im deutschen Fußball gab es damals und gibt es auch heute keine größere Aufgabe für einen Journalisten. Der Verlag ist mir aber in den Verhandlungen sehr entgegengekommen. Ich durfte Woche für Woche ein Bundesligaspiel meiner Wahl im süddeutschen Raum besuchen, ich durfte zu sämtlichen Länderspielen in Deutschland fahren und auch zu sämtlichen großen Turnieren wie Europa- und Weltmeisterschaften. Ab 1. Juli 1986 habe ich parallel für "kicker" und "fußball-magazin" gearbeitet, ab 1988 dann ausschließlich für das "fußball-magazin", auch wenn ich noch gelegentlich Interviews für den "kicker" gemacht habe.
Wie eng waren die Redaktionen von "kicker" und "fußball-magazin" in inhaltlicher und organisatorischer Hinsicht verbunden?
Beim "fußball-magazin" gab es, wie gesagt, Wolfgang Rothenburger als Chef und mich als Redakteur, später kam dann noch ein weiterer Redakteur hinzu. Wir waren bei der Themenfindung völlig autark und im Haus auch räumlich von den Redakteuren des "kicker" getrennt. Aber natürlich gab es ganz normale kollegiale Kontakte zu den anderen Mitarbeitern. Wir sind auch samstags oft gemeinsam zu den Spielen gefahren.
Ich habe beim Lesen älterer Ausgaben mitunter den Eindruck, dass ein Spieler, der beispielsweise im "kicker" in einem größeren Artikel vorkam, wenig später gern auch im "fußball-magazin" Gegenstand eines Beitrages war. Gab es eine solche Art von gezielter "Nachnutzung"?
Nein, ich kann insbesondere ausschließen, dass ein Termin doppelt ausgeschlachtet wurde. Aber wie gesagt haben etliche "kicker"-Redakteure Artikel für das Magazin verfasst – und natürlich haben sie dafür ihre bereits bestehenden Kontakte genutzt.
Charakteristisch für das "fußball-magazin" war der stets väterlich-wohlwollende und positive Blick auf einzelne Spieler und die Vorstellung des Menschen hinter dem Fußballer. Um so mehr ist mir ein eher galliger Artikel des späteren "Sport-Bild"-Redakteurs Ulrich Kühne-Hellmessen über den 1986 geflüchteten Dresdner Stürmer Frank Lippmann im Gedächtnis geblieben. Dieser habe offenbar "keine Lust zum Sichquälen, keinen Willen zum Engagement", ihm sei "der gelbe Krankenschein lieber als die blauen Flecken am Bein". Nach seiner Flucht in den Westen habe er sich vor allem mit Luxusartikeln und Statussymbolen eingedeckt. Wurde seinerzeit in der Redaktion über derartige Ausreißer diskutiert?
Ich habe mir den Artikel noch einmal angesehen und muss Ihnen, was Ihre Einschätzung angeht, durchaus recht geben. Allerdings kann mich an kein Gespräch mit dem Uli Kühne-Hellmessen über diesen Beitrag erinnern oder daran, dass das bei uns irgendwie ein Thema war. Frank Lippmann hat ja später gesagt, dass seine Karriere nach seiner schweren Verletzung im Grunde vorbei war. Vielleicht hat Uli das damals im Gespräch schon irgendwie gespürt und ja letztlich recht behalten.
Sie haben fast 40 Jahre beim "kicker" beziehungsweise zwischendurch für das "fußball-magazin" gearbeitet und in dieser Zeit etliche Weggefährten gehabt, die in gleicher Weise wie Sie feste Größen des deutschen Fußballjournalismus sind oder waren: Frank Lußem, Carlo Wild, der bereits erwähnte Ulrich Kühne-Hellmessen…
Frank Lußem und ich haben 1980 gemeinsam beim "kicker" begonnen – wir waren damals die ersten Volontäre, die der Verlag eingestellt hat. Er hat dann in der West-Redaktion, die damals in Remscheid angesiedelt war, gearbeitet. Natürlich haben wir uns dann jenseits der zweimal jährlich stattfindenden Ranglistenkonferenzen des "kicker", wenn alle Redakteure für zwei Tage nach Nürnberg kamen, nicht mehr so oft gesehen. Aber zum Beispiel waren wir zusammen beim für den Ausgang der Meisterschaft entscheidenden Spiel des 1. FC Köln gegen den FC Bayern im Mai 1989 (1:3). Carlo Wild hingegen hat in der Nürnberger Redaktion gearbeitet, er ist ein guter Freund von mir, auch heute noch. Mit dem Uli Kühne-Hellmessen habe ich mich damals ebenfalls sehr gut verstanden, aber wie das immer ist im Berufsleben: Wenn einer weiterzieht, verliert man sich ein Stück weit aus den Augen. Wir haben uns aber auch, als er zur "Sport-Bild" gewechselt ist, noch ab und zu gesehen, bei den großen Turnieren, bei der EM 1988 zum Beispiel oder der WM 1990.
Für mich als Leser waren die Stories über deutsche Legionäre – Schuster in Barcelona, Förster in Marseille, Klinsmann in Mailand – immer die Highlights eines Hefts. Waren die entsprechenden Auslandsdienstreisen entsprechend begehrte Aufgaben innerhalb der Redaktion mit einem Erstzugriffsrecht der Chefs?
Nein, überhaupt nicht. Das hat sich ganz klar danach gerichtet, wer zu dem ins Ausland gewechselten Spieler früher in der Bundesliga den besten Kontakt hatte. So habe ich beispielsweise Artikel über Lothar Matthäus und Andreas Brehme in Mailand gemacht, da ich sie aus ihrer Münchner Zeit kannte. Aber es macht ja gar keinen Sinn, wenn ich zum Bernd Schuster nach Barcelona fliege, obwohl ich den überhaupt nicht kenne und gar keinen Draht zu ihm habe. Und Wolfgang Rothenburger als Chef hat sich ganz sicher nicht um Auslandsdienstreisen gerissen. Er stand damals ja auch schon kurz vor der Pensionierung.
Wie intensiv haben Sie als Redakteur damals die Auflagenentwicklung des "fußball-magazin" verfolgt?
Sehr intensiv, das war ja das mit das Interessanteste. Wir haben natürlich immer geschaut, wie die Verkäufe waren. Wenn wir die 100.000-Marke mal überschritten haben, was durchaus einige Male vorkam, dann haben wir gefeiert. Es gab bestimmt drei bis vier Ausgaben pro Jahr, bei denen wir im sechsstelligen Bereich landeten. Heute sind solche Zahlen utopisch.
Weshalb wurde der Erscheinungsturnus des "fußball-magazin" ab 1991 sukzessive vergrößert, bis es schließlich 1996 ganz eingestellt wurde?
Das hatte mit der Auflage nichts zu tun, sondern allein mit den Anzeigenverkäufen. Die Leute, die die Anzeigen für das "fußball-magazin" verkauft haben, haben dies auch für den "kicker" getan. Da sie teilweise auf Provisionsbasis gearbeitet haben, war es für sie natürlich attraktiver, Anzeigen für den auflagenstärkeren "kicker" zu verkaufen. Sie haben dann oft erst am Ende eines Gesprächs erwähnt, dass es da auch noch ein monatlich erscheinendes Heft gibt. Dass wir nie jemanden hatten, der exklusiv nur für unser Heft Anzeigen verkauft hat, war in meinen Augen der größte Fehler. Ich selbst bin 1993 zurück zum "kicker" gegangen.
Einige Jahre zuvor, im Frühjahr 1989, war mit "Sport-Bild" ein Konkurrenzblatt lanciert worden. Wie war Ihr Blick auf die "Sport-Bild"?
Ulrich Kühne-Hellmessen, über den wir hier ja schon gesprochen haben, ist damals zur "Sport-Bild" gewechselt. Ich hatte seinerzeit auch ein Angebot und hätte dort weitaus mehr verdienen können, habe mich aber dafür entschieden, beim "kicker" zu bleiben. Natürlich war die "Sport-Bild" mittwochs damals für uns Pflichtlektüre. Und sicher haben wir uns manchmal bei dem Gedanken ertappt: "Diese Geschichte hätten wir eigentlich auch haben können." Weitaus öfter aber war mein Gedanke: "Gut, dass ich da nicht arbeite."
Und wie war es bei dem Magazin "11Freunde", das reichlich zehn Jahre später auf den Markt kam?
Als Monatszeitschrift bewegte sich "11Freunde" ja in einer ganz anderen Sphäre als der "kicker". Anders als bei "Sport-Bild" dachte ich damals öfters: "Super gemacht!" Aber das Heft war in keiner Weise eine Konkurrenz zum "kicker".
Herr Kaiser, herzlichen Dank für das Gespräch!
(Das Interview führte Tim Bender.)