Ich habe das Buch bestimmt schon drei-, viermal gelesen, obwohl ich mit Frank Mill nie so wirklich warm geworden bin. Lehmkuhls Buch ist, ähnlich wie beispielsweise die Peter-Neururer-Biographie von Thomas Lötz, eines dieser Bücher, die - ohne irgendwie sensationell zu sein - bleibende Erinnerungen an bestimmte Personen, bestimmte Phasen des deutschen Fußballs und das Selbstverständnis der Bundesliga und ihrer Akteure in dieser Zeit schaffen und deshalb jedenfalls für mich sehr wichtig sind. Lehmkuhl nimmt sich mit Sorgfalt Mills Stationen vor - bei Rot-Weiß Essen, in Gladbach, natürlich die Dortmunder Zeit und dann den Ausklang in Düsseldorf. Mills schwieriges Verhältnis zur Nationalelf bekommt ein eigenes Kapitel, ebenso der dritte Platz bei Olympia 1988. Interessanterweise war die Zeit unter Hannes Löhr für Mill ebenso wie für seinen - leider auch schon verstorbenen - Kumpel Wolfram Wuttke die wohl schönste in einem deutschen Auswahlteam.
Das Buch ist eine unterhaltsame Rückschau auf Mills beeindruckende Karriere, locker geschrieben und, wenn man nicht gerade ein eingefleischter und mit allen Fakten vertrauter Fan des Stürmers ist, auch informativ. Ich hätte mir allerdings noch mehr - wesentlich mehr - Einblicke in Mills Gedankenwelt, seine Empfindungen und Erinnerungen und Eindrücke gewünscht, gerade was seinen Blick auf und sein Verhältnis zu einstigen Kollegen und Konkurrenten angeht. Obwohl er mit schöner Regelmäßigkeit traf, obwohl er einen legendären Ruf als "mit allen Abwässern geschwaschenes" (Norbert Dickel) Schlitzohr und als Efmeterschinder hatte, war er bei seinen Trainern ja nie gänzlich unumstritten. Immer wieder wurden ihm andere, vermeintlich hochkarätigere Stürmer vor die Nase gesetzt oder zumindest zur Seite gestellt. Wie war sein Verhältnis zu denen, was dachte er über sie und die jeweilige Konkurrenzsituation, der er sich nach meiner Erinnerung durchaus auch mit harten Bandagen stellte? Davon erfährt man leider wenig bis nichts. Der Name Fleming Povlsen kommt im Buch ein einziges Mal vor, der Name Stéphane Chapuisat ebenfalls. Der 1989 für knapp zwei Millionen Euro vom FC Bayern verpflichtete Jürgen Wegmann taucht - jedenfalls in diesem Kontext - gar nicht auf, von Sternschnuppen wie Mark Strudal ganz zu schweigen. Selbst ein Michael Rummenigge findet nur vergleichsweise kurze Erwähnung. Hier wären mehr Nähe, mehr Einblicke wünschenswert gewesen.
Als Erinnerung an einen der besten Bundesligastürmer der achtziger Jahre ist das Buch gleichwohl wunderbar. Machen Sie es gut, Herr Mill!
Frank Lehmkuhl: "Frank Mill: Das Schlitzohr des deutschen Fußballs", Verlag Die Werkstatt